Die Hinweise auf ein sechstes Massenaussterben, das viele hundert Millionen Jahre zurückliegt, verdichten sich: Eine neue Studie legt nun nahe, dass ein solches wahrscheinlich aufgrund von veränderten klimatischen Bedingungen und der damit verbundenen Verringerung des Sauerstoffgehalts ausgelöst wurde.
Sedimente aus Russland geben Hinweise
Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass es während der Erdgeschichte fünf große Massenaussterben gab. Einige Funde weisen jedoch auf ein sechstes Massenaussterben hin, das vor 550 Millionen Jahren stattgefunden haben könnteund damit früher als die anderen. Das Event ist umstritten, da es nur wenig Anhaltspunkte gibt, jedoch verstärken neu entdeckte Fossilien aus drei Sedimentschichten in Russland nun den Verdacht. Während die ersten beiden Sedimentschichten eine Fülle von verschiedenen Tierarten zeigen, nimmt die Diversität in der Dritten abrupt ab: Nur mehr 20 Prozent der zuvor vorhandenen Spezies sind nachzuweisen.
Viele Forscher glauben, dass es sich um einen Zufall, schlechte Arbeit oder ungünstige geologischen Bedingungen handeln könnte. Einige Wissenschaftler sind jedoch anderer Meinung. Das Team um den US-amerikanischen Paläontologen Scott Evans untersuchte die Fossilien der Sedimentformation genauer und veröffentlichte ihre Ergebnisse vor Kurzem im Journal „Earth, Atmospheric and Planetary Sciences“. Aufgrund der Corona-Pandemie war es ihnen nicht möglich, selbst nach Russland zu reisen, um die Formationen zu untersuchen, stattdessen durchforsteten sie bereits vorhandene Daten, die schon früher publiziert wurden.
Tiere mit Abhängigkeit von hoher Sauerstoffmenge starben aus
Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die russischen Fossilfunde tatsächlich ein sechstes Massenaussterben abbilden. „Es spiegelt den Verlust von vielen verschiedenen Tierarten wider. Dabei traf es die Tiere besonders hart, deren Verhalten und Körperaufbau von einer hohen Menge an Sauerstoff abhängig waren“, erklärt Scott Evans in einer Pressemeldung. Durch dieses Ergebnis erscheint es unwahrscheinlich, dass das sechste Massenaussterben nicht stattfand. Die in der dritten Formation verschwundenen Fossilien sind nicht zufällig über alle Tierarten verteilt, sondern weisen alle eine hohe Sauerstoffabhängigkeit auf.
Warum es zu dieser Sauerstoffreduktion kam, wissen die Forscher noch nicht. Eventuelle Auslöser könnten beispielsweise ein Meteoriteneinschlag, Vulkanausbrüche oder die Verschiebung von tektonischen Platten gewesen sein. Das Massenaussterben hatte, aus unserer Sicht, aber auch positive Auswirkungen. Die Fossilien zeigen Tiere, die sich sehr stark von heutigen Lebewesen unterscheiden. Ihre Merkmale entsprachen nicht unserer heutigen Einteilung von Arten und Taxen. Erst nach diesem Massenaussterben entwickelten sich die Tiere langsam zu modernen Bauplänen und Körperfunktionen. Ohne den Verlust der Tierarten hätte sich das Leben vielleicht nie in Richtung Mensch entwickelt.
Sauerstoffreduktion findet aktuell in Weltmeeren statt
Besonders interessant ist das Ergebnis deshalb, weil die damaligen Konditionen zum Teil unsere heutige Realität widerspiegeln. Aufgrund des Klimawandels erhöht sich auch die Temperatur in unseren Meeren. Warmes Wasser kann weniger Moleküle aufnehmen als kaltes, weshalb es zu einer Reduktion von Sauerstoff in den Ozeanen kommt. „Unsere Studie zeigt, dass das erste uns bekannte Massenaussterben von einem großen Klimawandel ausgelöst wurde – wie alle anderen Massenaussterben in der Vergangenheit der Erde. Das ist ein weiteres warnendes Beispiel für die Gefährdung von Tierleben, die durch die aktuelle Klimakrise vorhanden ist“, sagt Evans.
Bild von Oscar Castillo auf Pixabay, Artikel von Anna Mikulics