Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften entschlüsselten gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam zwei Achsen, entlang derer das menschliche Gehirn organisiert ist. Dies sei nicht zuletzt deshalb wichtig, weil somit Hirnstörungen künftig besser beurteilt werden könnten.
Den Studienautoren zufolge hat jedes Netzwerk seinen Platz im Gehirn. Die Hirnregionen sind genetisch organisiert, sie reichen von Fähigkeiten wie Handlung bis hin zu abstraktem Denken. Die Ergebnisse würden dazu beitragen, die Gehirnarchitektur als Ganzes besser zu verstehen. Zwar lässt sich bereits genau lokalisieren, wo etwas im Gehirn passiert, wenn wir denken, fühlen oder handeln. Allerdings war es bis dato unklar, weshalb die Hirnregionen auf eine bestimmte Art und Weise angeordnet sind.
Eine Achse erstreckt sich gemäß den Forschern vom hinteren zum vorderen Stirnbereich der Großrinde. Senkrecht hierzu führt eine zweite Achse von der Hirnoberfläche in die Tiefe des Cortex. Bestimmt werde diese Organisation weitestgehend durch die genetische Beziehung der Hirnregionen. „Für die Gestaltung unseres Gehirns sind also die Evolution und die Gene die entscheidenden Faktoren“, wie Forschungsgruppenleiterin Sofie Valk konstatiert. Allerdings dürfe nicht vergessen werden, dass auch die Umwelt eine wichtige Rolle für dessen Ausgestaltung spiele.
Forschung auf Hochtouren
Die Wissenschaftler untersuchten die Zusammenhänge auf unterschiedlichen Ebenen. So wurden unter anderem eineiige sowie zweieiige Zwillinge und nicht verwandte Personen unter die Lupe genommen. Damit sollte das Ausmaß der genetischen Bestimmung der Gehirnorganisation zu Tage gefördert werden. Sie ermittelten, inwiefern die Dicke des Cortex innerhalb einer Gruppe korrelierte. Anhand dieser Informationen berechneten sie die Hauptachsen, entlang derer die Hirnstrukturen organisiert sind.
Die Achsen seien nach dem Prinzip von wenig differenzierten zu differenzierteren Regionen angeordnet. Sie tauchen in der Säugetierentwicklung bereits vor den Primaten auf. Jenes Organisationsprinzip gebe es auch bei Ratten und Katzen.
Hirnforschung trotz langer Historie mit Lücken
Die Geschichte der Hirnforschung reicht bereits weit zurück. Die antiken Griechen waren die ersten, die nachweisen konnten, dass das Gehirn der Sitz kognitiver Fähigkeiten ist. Dennoch scheint es auf der Wissenskarte noch zahlreiche dunkle Flecken zu geben. Das menschliche Gehirn ist das komplizierteste Organ, welches die Natur je hervorgebracht hat, so die Aussagen der Max-Planck-Gesellschaft. Demnach verleihen rund 100 Milliarden Nervenzellen sowie ein Vielfaches davon an Kontaktpunkten mannigfaltige Fähigkeiten. Einzelne Gehirnbereiche haben jeweils unterschiedliche Aufgaben, wobei in der Regel keine Region alleine für eine bestimmte Fähigkeit verantwortlich ist – sondern im Zusammenspiel mit anderen.
Ein besseres Verständnis der Struktur des Gehirns kann dabei helfen, Krankheiten wie Autismus besser zu verstehen. Geht es nach Tesla-Gründer Elon Musk, dann könnten Fortschritte in besagtem Bereich sogar dazu führen, dass bislang als unheilbar geltende Krankheiten mittels Gehirn-Maschinen-Schnittstellen behandelt werden können. Ob und inwiefern dies Realität wird, wird sich zwar erst noch zeigen müssen. Der jüngste Erkenntnisfortschritt könnte allerdings ein Schritt in die richtige Richtung sein. Zumindest sind die Studienautoren der Max-Planck-Gesellschaft dieser Auffassung: wer mehr über die Achsen im Gehirn und ihre Herkunft wisse, verstehe mehr über die Funktionen sowie die Gehirnarchitektur als Ganzes.