Kenntnisse im Bereich der Mathematik hängen von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Forschende in Deutschland fanden nun heraus, dass das ROBO1-Gen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen könnte. Dieses sei dafür verantwortlich, wie groß die Hirnmasse in einem bestimmten Hirnbereich ist. Träger dieses Gens entwickeln schon im Kleinkindalter mehr graue Substanz in wichtigen Mathematik-Zentren des Gehirns, so die Wissenschaftler.
„Unser Ziel war es […], Zusammenhänge zwischen bekannten Mathe-Kandidatengenen und der Gehirnstruktur von Kindern vor Beginn ihrer mathematischen Schulung aufzuspüren“, wie es in der Studie des Teams rund um Michael Skeide vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Gehirnwissenschaften in Leipzig heißt. Hierfür untersuchten die Forscher 178 drei- bis sechsjährige Kinder darauf, ob sie eine oder mehrere mutmaßliche Mathe-Gene in ihrem Erbgut tragen. Mittels der Magnetresonanz-Tomografie wurde zudem das Volumen der grauen Hirnsubstanz im Gehirn sowie in speziellen den mathematischen Fähigkeiten zugeschriebenen Arealen untersucht. Einige Jahre später erfolgte die Auswertung mit Hilfe mathematischer Standardtests.
Signifikante Unterschiede
Der Erhebung zufolge besitzen Kinder, welche das ROBO1-Gen in sich tragen, ein höheres Volumen an grauer Hirnsubstanz im hinteren Teil des rechten parietalen Cortex. Auch ein angrenzendes Hirnareal – der sogenannte intraparietale Sulcus – ist bei jenen Genträgern stärker ausgeprägt. Die genannten Areale seien für die Verarbeitung von Zahlengrößen wichtig. Träger des ROBO1-Gens schnitten in den mathematischen Standardtests signifikant besser ab. Der Name des Gens leitet sich nicht von Roboter-Intelligenzen ab, sondern von „roundabout homolog“, ein evolutionär verwandtes Gen in Fruchtfliegen.
„Unsere Studie deutet darauf hin, dass bis zu einem Fünftel der mathematischen Fähigkeiten durch dieses Gen und die von ihm verursachten Volumenunterschiede im rechten parietalen Cortex erklärt werden können“, wie die Studienautoren betonen. Demnach manifestiert sich eine mathematische Begabung schon bevor ein Kind beginnt, im Grundschulalter Rechenaufgaben zu lösen. Eine entsprechende Förderung könne dieses Potenzial zur Entfaltung bringen.
Einziges Gen
Die Studienautoren konzentrierten sich bei der Erhebung auf insgesamt 10 Gene. Bei 9 dieser Gene gab es hingegen keinen signifikanten Zusammenhang zum Hirnvolumen und den mathematischen Fähigkeiten der Kinder. Deutlich anders war dies – wie dargestellt – im Falle des ROBO1-Gens. Dies sei das fehlende Glied von dem Verständnis zwischen DNA-Variationen und mathematischen Leistungen. „Diese Interpretation ist mit zahlreichen Studien vereinbar, die zeigen, dass der parietale Kortex von Kindheit an spezifisch zur mathematischen Erkenntnis beiträgt und diese entscheidende Rolle im Erwachsenenalter beibehält“, so das Fazit.
Gute Kenntnisse im Bereich der Mathematik sind von Relevanz für den gesellschaftlichen Aufstieg, wie vergangene Erhebungen zutage förderten. „Wer sehr gut in Mathematik ist, hat also Arbeit, ganz gleich, welchen Schulabschluss der Betreffende erworben hat“, wie Ulrich Kortenkamp von der Universität Potsdam konstatiert. Wie die jüngsten Studienergebnisse aufzeigen, scheinen Träger des ROBO1-Gens diesbezüglich bessere Startbedingungen zu haben. Nichtsdestotrotz spielen auch weitere Faktoren eine wesentliche Rolle.