Eulen fliegen nahezu lautlos. Dem Forscher Hermann Wagner vom Institut für Zoologie Aachen und Christoph Bruecker von der City University of London ist es nun gelungen, zu entschlüsseln, wie den Eulen dieser Flug gelingt. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie Anfang November in der Fachzeitschrift „Bioinspiration & Biomimetics“. Die Erkenntnisse könnten künftig die Konstruktion deutlich leiserer Flugzeuge ermöglichen.
Der Flügelschlag der Eulen ist nahezu unhörbar. Bereits länger war bekannt, dass sich an den Eulenfedern besonders weiche Härchen befinden. Allerdings ist dies nur ein Faktor, der die geringe Lautstärke begründet. Der genannten Studie zufolge weisen die Eulenfedern an ihrer vorderen Flügelkante ganz besondere physikalische Eigenschaften auf. Dort gebe es Strukturen, welche sogenannte laminare Luftströmungen ermöglichen. Optisch ähneln diese einem Kamm mit vielen kleinen Häkchen, wie Professor Wagner erläutert. Durch diese Hakenkämme wiederum werde die Luft beim Fliegen nach innen gelenkt. Das Resultat: eine überaus geräuscharme Fortbewegung. Bislang, so die Studienautoren, sei nicht bekannt gewesen, dass die Häkchen Luft in dieser Weise ablenken.
Vergrößertes Modell
Die Wissenschaftler scannten die Federstrukturen des Eulenkamms mittels eines Mikroröntgensystems. Mit den hieraus gewonnenen Daten vergrößerten sie diese in einem 3D-Drucker um das Zehnfache. Anhand dieses Modells seien sie dazu in der Lage gewesen, die Strömungsmechanik mit quantitativen Untersuchungen zu untersuchen.
Professor Bruecker – seines Zeichens Leiter des Forschungszentrums für Luft- und Raumfahrt in London – ist der Überzeugung, dass die Ergebnisse für den Bau leiserer Flugzeuge genutzt werden können. Die Strukturen der Eule könnten Verwirbelungen der Luft an Jetflügeln dämpfen. Einerseits könnte dadurch die Lärmbelastung reduziert werden. Andererseits konstatiert der Forscher, dass auch ein geringerer Treibstoffverbrauch die Folge wäre. Auch bei Drohnen oder Ventilatoren könnte die bionische Technik genutzt werden.
Natur als Vorbild
Bionik steht für die Übertragung natürlich vorkommender Strukturen und Prozesse in die Technologie. Bereits Leonardo da Vinci ließ sich von der Natur inspirieren, und beobachtete insbesondere den Vogelflug intensiv. Auch nach jahrhundertelanger Forschung entdecken Forscher nach wie vor Vorbilder in der Natur. Durch die Übertagung der Strukturen können Materialien und Objekte entwickelt oder optimiert werden.
Ein Beispiel für eine solche Nachahmung ist der Klettverschluss, welcher inspiriert ist von den feinen Widerhäkchen der Samenkugeln der Klettenfrucht. Vom südafrikanischen Baumfrosch wiederum übernahmen Reifenhersteller das sechseckige Reifenprofil. Dieses soll für eine optimierte Seitenführung und kürzere Bremswege sorgen.
Zwar liefert die Natur häufig ideale Vorlagen. Allerdings vergeht von der Entdeckung bis zur technologischen Umsetzung häufig viel Zeit. Wann die neuen Erkenntnisse rund um den Eulenflug beispielsweise beim Flugzeugbau Anwendung finden, wird sich unterdessen erst noch zeigen müssen.