Ein Forschungsteam erstellte mithilfe von über 30.000 Satellitenbildern die erste hochaufgelöste Karte von Kronendachöffnungen. Dabei trag zutage, dass mehr als 36 Millionen Waldflächen in Europa keine geschlossene Vegetationsdecke mehr aufweisen. Verantwortlich hierfür seien Eingriffe durch die Forstwirtschaft, aber auch Stürme, Waldbrände sowie Schädlingsbefall. Die Forscher der Technischen Universität München veröffentlichten ihre Ergebnisse im September in der Fachzeitschrift „Nature Sustainability“.
Dabei untersuchten die Wissenschaftler auch, wie sich die Wälder Europas verändert haben. Hierfür werteten sie Satellitenbilder aus dem Zeitraum von 1986 bis 2016 aus. Aus der daraus erstellten Karte geht hervor, dass die Lücken in der Vegetationsdecke stark zugenommen haben – die Wälder werden immer löchriger. Der Rückgang des Kronendachs schlägt in den vergangenen 3 Jahrzehnten mit 17 Prozent zu Buche. In Portugal weisen die Wälder die höchste Anzahl an Lücken auf.
Wälder in Gefahr
„Selbst, wenn einzelne Lücken noch klein sind, können mehrere von ihnen im Laufe der Zeit durch weitere Störungen zu größeren Freiflächen heranwachsen“, wie die Forscher erklären. Dem Wald kommen wichtige Funktionen zu – sowohl für die Natur, als auch den Menschen. So binden die Bäume Kohlendioxid aus der Atmosphäre und sind zugleich Teil des Wasserkreislaufs. Rund 33 Prozent Europas sind mit Wäldern bedeckt, Tendenz sinkend.
Hauptverantwortlich für das zunehmende Ausmaß der Waldlücken sind gemäß der Forscher der TU sowohl Eingriffe der Forstwirtschaft, als auch natürliche Ursachen. In puncto Forstwirtschaft betonen die Studienautoren, dass die Holznachfrage in den letzten Jahren stark zugenommen habe. Ihrer Argumentation zufolge haben die gewonnenen Erkenntnisse eine hohe Relevanz. So zeige die Karte, „wo Wälder gegebenenfalls Gefahr laufen, irreversibel geschädigt zu werden“. Mit diesem Wissen könnten bessere Schutzmaßnahmen getroffen werden. „Zunehmende Öffnungen im Kronendach sind ein Risiko für den Wald, bieten aber auch die Chance, dass sich eine neue, besser an den Klimawandel angepasste Baumgeneration etablieren kann“, wie es heißt.
Primärwälder werden seltener
Ein anderes internationales Forscherteam kam zu dem Ergebnis, dass natürlich gewachsene Wälder in Europa immer seltener werden. Bei 33 Prozent der Waldtypen registrierten sie nur noch 0,01 bis 1 Prozent Primärwald. Jene Primärwälder seien allerdings unersetzbar, da sie zur Artenvielfalt beitragen und einen positiven Beitrag zum Klimaschutz leisten. „Primärwälder speichern erhebliche Mengen Kohlenstoff und kommen oft besser mit dem Klimawandel zurecht als Wirtschaftswälder“, wie Mit-Studienautor Tobias Kümmerle von der Humboldt-Universität Berlin sagt.
Verhältnismäßig viel Primärwald gebe es in Skandinavien, Bulgarien, Rumänien und im Balkan. Die Wälder dort seien überaus schützenswert. Insbesondere im Flachland Deutschlands gebe es nur noch sehr wenig oder gar keinen Primärwald mehr. Die Autoren fanden lediglich 43 Stückchen Primärwald in der Bundesrepublik, welcher auf insgesamt 13.000 Hektar wächst. Laut Bundesamt für Naturschutz darf sich der Wald derzeit an 3 Prozent seiner Fläche natürlich entwickeln.