Bis dato gab es bei dem Code des menschlichen Erbgutes noch ungeklärte Lücken. Einem internationalen Forscherteam gelang es jedoch nun, das X-Chromosom vollständig zu entschlüsseln. Die Wissenschaftler beabsichtigen, mittels der neuen Lesetechnik auch weitere Chromosomen zu untersuchen. Die Ergebnisse ihrer Arbeit wurden im Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht.
Im Jahr 2000 folgte der erste Durchbruch: Forschern gelang es, eine erste Genom-Sequenz zu entschlüsseln und auszulesen. Seither erfolgten zahlreiche Versuche mit dem Ziel, die letzten Wissenslücken rund um das menschliche Erbgut zu schließen. Insbesondere die Entschlüsselung des X-Chromosoms – teilweise auch als Geschlechtschromosom bezeichnet – stand hierbei im Fokus. Jenes Chromosom ist nicht zuletzt deshalb von hoher Relevanz, weil es mit einer großen Anzahl von Erbkrankheiten in Zusammenhang steht.
Nun gelang es dem Team rund um die Biologin Karen H. Miga vom Institut für Genomforschung an der University of California in Santa Cruz, das X-Chromosom von einem zum anderen Ende komplett zu entschlüsseln. Hierfür entwickelten die Wissenschaftler eine neue Sequenziermethode. Dies wird als „Nanoporen-Sequenzierung“ bezeichnet. Hierbei erfolgt die Zerteilung der DNA in extrem lange Leseabschnitte. Dies ermögliche eine leichtere Identifizierung der Basenabfolgen.
Erforschung von Krankheiten
Ein Großteil der Chromosomen ist in fast allen menschlichen Zellen in zwei Ausfertigungen vorhanden. Ausnahmen sind die Geschlechtschromosomen. Frauen haben hier zwei X-Chromosomen, Männer hingegen nur eines von der Mutter. Diese wiederum erhalten das kleinere Y-Chromosom vom Vater – ein Grund, weshalb sie anfälliger für viele Erbkrankheiten sind. Die vollständige Entschlüsselung des X-Chromosoms sei ein wichtiger Schritt, um jene Krankheiten zu erforschen, so die Forscher.
Vor der nun erfolgten vollständigen Entschlüsselung des X-Chromosoms konnten zwar die Gene entschlüsselt werden, allerdings nicht die sich zwischen ihnen befindende Junk-DNA. Dies sind DNA-Sektionen, welche viele Wiederholungen enthalten. Allerdings, so der heutige Stand der Forschung, seien diese für die Genom-Steuerfunktion weitaus wichtiger, als noch vor wenigen Jahren gedacht.
Die Wissenschaftler vom Institut für Genomforschung leiteten einzelne DNA-Moleküle über eine enge Öffnung. Dort wiederum wurden subtile Spannungsänderungen gemessen, anhand derer sich die jeweilige Base identifizieren lässt. Anschließend erfolgte die Zusammensetzung des vollständigen Genoms mithilfe eines einzigartigen Markers.
Ungelöste Rätsel
Noch ist nicht abzusehen, welche neuen Erkenntnisse aus der vollständigen Auslesung der Junk-DNA gewonnen werden können. Allerdings sind die Studienautoren überzeugt davon, dass ein wichtiger Schritt erreicht sei: „Dieser technische Durchbruch wird uns helfen, die Funktionen des menschlichen Erbgutes besser zu verstehen“, so Eric Green vom Institut für Genomforschung. Die identifizierten Genom-Abschnitte seien variantenreich und könnten wichtige Kontrollfunktionen ausüben. Dennoch sei es bis dato noch nicht vollständig geklärt, was sich alles in den neu entschlüsselten DNA-Sequenzen verbirgt.