In den vergangenen 12 Jahren verdoppelte sich die Zahl der Studienanfängerinnen in den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT), wie Daten des Statistischen Bundesamtes aufzeigen. In den Ingenieurswissenschaften studieren inzwischen sogar fast dreimal so viele Frauen. Nichtsdestotrotz scheint von Chancengleichheit noch keine Rede sein zu können. Sächsische Wissenschaftler untersuchen dieser Tage in einer von der EU geförderten Studie, weshalb weibliche Hochschulkarrieren so selten sind.
„Frauen sind im Wissenschaftsbetrieb unübersehbar unterrepräsentiert“, wie Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) vor wenigen Tagen mitteilte. Außerdem, so seine Ausführungen, werden studierende Frauen deutlich seltener durch Stipendien und Sozialfonds unterstützt: „Etwaige mangelnde wissenschaftliche Leistungen, so viel steht fest, sind nicht der Grund dafür“. Die Erhebung wird mit 700.000 Euro von der Europäischen Union unterstützt.
Große Unterschiede treten auch bei der Nobelpreis-Vergabe zutage. Bis dato wurden 919 Wissenschaftler mit dem renommierten Preis geehrt. Unter ihnen sind zwischen 1901 und 2019 nur 53 Frauen gewesen.
Auch im vergangenen Jahr blieben die Nobelpreise größtenteils den Männern vorbehalten. Unter den 15 geehrten waren lediglich 2 Frauen. Allerdings werden zahlreiche Preise für zurückliegende Errungenschaften verliehen, und der Forschungsbereich sei jahrzehntelang eine Männerdomäne gewesen, wie Lars Heikensten, seines Zeichens Exekutivdirektor der Nobelstiftung, betont: „Wir wissen um die strukturellen Mängel in der Art und Weise, wie Frauen innerhalb des universitären Systems behandelt worden sind“. Dass es derzeit so wenige Nobelpreisträgerinnen gebe, spiegle „in erster Linie die Situation in den Wissenschaften vor 30 bis 50 Jahren wider“.
Trend in die richtige Richtung
Zumindest die Entwicklung in den technischen und naturwissenschaftlichen Studienfächern scheint Hoffnung auf eine Annäherung zu geben. So stieg der prozentuale Frauenanteil in den Ingenieurswissenschaften seit 2008 von 21,9 Prozent auf 26,2 Prozent. Im Bereich der Elektrotechnik stieg der Anteil sogar von rund 10 auf 17,5 Prozent.
Die Initiative „Komm, mach MINT“ verweist auf die positive Entwicklung und motiviert Studentinnen weiterhin, einen Blick auf die männerdominierten Studienfächer zu werfen. Prof. Dr. Jürgen Kretschmann erachtet es als essenziell, dass sich auch Frauen für MINT-Fächer begeistern – nicht zuletzt deshalb, weil es in den Bereichen einen großen Fachkräftemangel gebe. Er sei fest davon überzeugt, dass junge Frauen ebenso für die Berufe geeignet sind, als ihre Mitschüler.
Komplizierte Gemengelage
Indes tritt ein weiterer Unterschied zutage – nicht nur bei dem Erstsemester-Geschlechterverhältnis klafft eine Lücke. So nimmt der Anteil von Frauen an Hochschulen ab, je höher die Abschlüsse werden. Dieser Trend wiederum zeigt sich auch in nicht-technischen Studienfächern. Zudem stellt die deutsche Situation hierbei keine Ausnahme dar. So ist der Anteil männlicher Promovierter international betrachtet in Summe deutlich höher, als der der Frauen.
Insgesamt erhalten Forscherinnen seltener renommierte Auszeichnungen als ihre männlichen Kollegen, promovieren seltener und entscheiden sich seltener für MINT-Studiengänge. Ob dies auf strukturelle Ungleichheiten zurückzuführen ist oder nicht, sei an dieser Stelle dahingestellt. Nichtsdestotrotz zeichnet sich der Trend hin zu einer zaghaften Angleichung ab.