In Niederstotzingen befindet sich eine der bedeutendsten Alemannen-Grabstätten Deutschlands. 13 Tote wurden 1962 in einem Grab in Baden-Württemberg entdeckt, doch bisher war fast nichts über sie bekannt. Mithilfe von DNA-Analysen konnte ein internationales Forschungsteam nun die Herkunft und ihre Verwandschaftsverhältnisse aufdecken. Daraus lassen sich interessante Schlüsse auf die Bestattungskultur aber auch die Sozialstruktur der Alemannen schließen.
Die Alemannen lebten im östlichen Oberrheingraben und den angrenzenden Gebieten. Sie waren keine einzelne Gruppe sondern ein Zusammenschluss mehrerer germanischer Stämme. Im Jahr 497 unterlagen sie den Franken und wurden Teil der Merowinger. Ab diesen Zeitpunkt vermischen sich Franken und Alemannen, was sich in verschiedenen kulturellen Aspekten widerspiegelt. Auch die Betstattungsriten gehörten dazu, die Elite und ihre Angehörigen wurden von nun an in reich ausgestatten Familiengräbern beigesetzt. Solche Adelsgrablegen befinden sich auch in Niederstotzingen.
13 Tote Alemannen in 12 reichlich ausgestatten Gräbern
Die Grabstätte in Niederstozingen liegt direkt am Fuß der Schwäbischen Alb. Sie wurde bereits 1962 entdeckt und man fand 13 Körper aus der Zeit zwischen 530-590. Es handelt sich bei dem Fund um 10 Erwachsene und 3 Kinder, die Ausstattung spricht für eine adlige Herkunft, denn zu ihnen „gehörten verschiedenste Waffen, Panzerungen, Schmuck, Pferdegeschirre und die Skelette von drei Pferden“, berichten Niall O’Sullivan vom EURAC-Forschungszentrum in Bozen. „Die Grabbeigaben sind fränkischer, byzantinischer und lombardischer Herkunft, was für enge Kontakte zu diesen Kulturen spricht.“ Bisher ungeklärt blieb dabei jedoch die Frage nach ihrer Herkunft und ob alle Toten ein und derselben Familie angehörten. Das Machtsystem der Merowinger basierte vor allem auf persönlichen Beziehungen, wobei es beispielsweise üblich war, Bindungen mit Verbündeten zu stärken, in denen man ihre Kinder bei sich aufnahm und aufzog. Umstritten war bisher aber die These, dass die nicht-blutsverwandten Familienmitglieder ebenfalls in den Adelsgrablegen beerdigt wurden. Dies ließ sich nun mit DNA-Analysen beantworten.
Ausschließlich Männer in dem Grab der Alemannen
Die Analysen der Strontium- und Sauerstoff-Isotope in den Überresten der Alemannen gaben Auskunft über Geschlecht und Verwandtschaftsverhältnisse, sowie ihre Herkunft und wo sie aufgewachsen waren. Zunächst einmal lies sich feststellen, das mindestens elf der 13 Toten männlich waren. „Das spricht dafür, dass die Grabriten der Alemannen geschlechtsspezifisch waren“ so die Forscher in dem von ihnen veröffentlichten Papier in Science Advances. Dies könnte daran liegen, dass die Grabstätte in der Nähe von Militärlagern lag oder die sozialen Strukturen und Hierarchien der Adelsschicht zu dieser Zeit wiedergibt.
Aufschlussreiche Erkenntnisse über die Grabkultur der Alemannen
Die Ergebnisse der DNA-Untersuchungen ergaben außerdem, dass nur fünf der Toten in einem engen Verwandtschaftsverhältnis zueinander standen. Sie waren höchstwahrscheinlich Väter, Söhne oder Enkel. Ihre DNA und ihre Isotopendanten verorten ihre Herkunft außerdem in der näheren Umgebung der Grabstätte in Baden-Württemberg. Bei zwei Toten deuten die Gene hingegen eher auf eine Abstammung aus dem Mittelmeerraum hin. Dass bei der Ausstattung der Gräber und den Grabbeigaben keine Unterschiede auszumachen waren, festigt die These, dass es bei den Alemannen und die Merowingern vollwertige Familienmitglieder gab, die nicht blutsverwandt waren. „Die Zuordnung von Beigaben und die Art der Bestattung folgt keinem ersichtlichen Muster in Bezug auf Herkunft oder Verwandtschaft“, berichten die Archäologen. „Das zeigt, dass bei diesen Begräbnissen Blutsverwandte und Haushaltsmitglieder anderer Herkunft gleichwertig behandelt wurden.“ Diese Erkenntnis bestätigt die bisherigen Annahmen über die Sozialstruktur der Alemannen.