Mit einem maßgeschneiderten Anzug oder Kleid ist man modisch zumeist auf der sicheren Seite. Schon bald könnte es solch individuelle Anfertigungen auch für das menschliche Ohr geben. So haben US-amerikanische Forscher mithilfe modernster Gewebetechnik und einem 3D-Drucker eine Nachbildung eines erwachsenen Ohrs hergestellt. Die Studie, die Mitte März im Fachmagazin Acta Biomaterialia veröffentlicht wurde, verspricht Implantate mit klar definierter Anatomie und den richtigen biomechanischen Eigenschaften für Menschen, die mit einer angeborenen Fehlbildung geboren wurden oder im Laufe ihres Lebens ein Ohr verloren haben.
Bisherige Rekonstruktionen nicht zufriedenstellend
Eine herkömmliche Ohr-Rekonstruktion erfordert mehrere Operationen und dabei ein außerordentliches Maß an Kunstfertigkeit und Feingefühl der Chirurgen. Zum Teil verwenden die Mediziner für das Ersatzohr Knorpel aus den Rippen eines Kindes. Dieser Eingriff kann schmerzhaft und narbenbildend sein. Obwohl das resultierende Implantat dem anderen Ohr des Empfängers ähneln kann, hat es im Allgemeinen nicht die gleiche Flexibilität.
Eine mögliche alternative Lösung besteht darin, Chondrozyten (Zellen, die Knorpel aufbauen) zu aktivieren. In früheren Studien griffen die Wissenschaftler auf solche Zellen aus Tieren zurück, um ein Gerüst aus Kollagen, einer Schlüsselkomponente des Knorpels, zu implantieren. Obwohl sich diese Transplantate zunächst erfolgreich entwickelten, ging im Laufe der Zeit allerdings die klar definierte Topografie des Ohrs – seine vertrauten Grate, Kurven und Wirbel – verloren. „Da die Zellen bei ihrer Arbeit an der gewebten Matrix aus Proteinen zerren, zog sich das Ohr zusammen und schrumpfte um die Hälfte“, so Studienleiter Dr. Jason Spector in einer Pressemitteilung.
Knorpelmaterial aus dem 3D-Drucker
Also verwendeten die Forscher in neuen Versuchen sterilisierten tierischen Knorpel, der behandelt wurde, um alles zu entfernen, was eine Immunabwehr auslösen könnte. Dieser Knorpel wurde in komplizierte, ohrförmige Kunststoffgerüste geladen, die mit einem 3D-Drucker auf der Grundlage der Daten eines menschlichen Ohrs erstellt wurden. Die kleinen Knorpelstücke dienten hierbei als interne Verstärkung, um die Bildung neuen Gewebes innerhalb des Gerüsts anzuregen. Im Laufe der nächsten drei bis sechs Monate entwickelte sich die Struktur zu einem knorpelhaltigen Gewebe, das die anatomischen Merkmale des Ohrs, einschließlich des spiralförmigen Rands, des „Anti-Helix“-Rands und der zentralen Muschelschale, genau nachbildete. „Das ist etwas, was wir vorher nicht erreicht hatten“, so Spector.
Biomechanische Studien bestätigten, dass die Nachbildungen eine Flexibilität und Elastizität aufwiesen, die dem menschlichen Ohrknorpel ähnelten. Allerdings war das hergestellte Material nicht so stark wie natürlicher Knorpel und könnte entsprechend bei Belastung reißen. Daher möchten die Wissenschaftler in weiteren Versuchen ihrem „Material“ Chondrozyten hinzuzufügen, idealerweise solche, die aus einem kleinen Stück Knorpel entnommen wurden, das vom anderen Ohr des Empfängers entfernt wurde. Die Hoffnung: Diese Zellen könnten die elastischen Proteine beitragen, die Knorpel so robust machen. Spector gibt sich optimistisch: „Diese neue Technologie könnte möglicherweise irgendwann eine Option bieten, die sich echt anfühlt, für Tausende, die eine Operation benötigen, um äußere Ohrfehlbildungen zu korrigieren“.
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