Die Erforschung von Krankheiten und die Entwicklung neuer Therapien erfordern realitätsnahe Modelle menschlicher Organe. Nun haben Biomediziner der Duke University eine ultradünne Membran entwickelt, die die Zellkommunikation und das Wachstum zu funktionalen gewebeähnlichen Strukturen ermöglicht. Das Besondere: die Membran besteht aus Seide.
Dicke Membranen bislang ein Problem
Sogenannte Organ-on-a-Chip-Systeme (OOC) helfen Wissenschaftlern dabei, die Biologie des menschlichen Körpers zu untersuchen. Diese Plattformen sind so konzipiert, dass sie das Zellwachstum und die Zelldifferenzierung auf eine Weise stimulieren, die das betreffende Organ am besten nachahmt. Dabei ist es sogar möglich, die System mit menschlichen Stammzellen auszustatten, um patientenspezifische Organmodelle für präklinische Studien zu erstellen. In diesen Strukturen kommt den Membranen eine besondere Bedeutung zu, da diese die Trägerstruktur für das Wachstum der spezialisierten Zellen bilden. In der Regel bestehen diese aus Polymeren, die sich nicht zersetzen und entsprechend eine dauerhafte Barriere zwischen Zellen und Gewebe bilden. Während die extrazellulären Membranen in menschlichen Organen oft weniger als einen Mikrometer dick sind, haben diese Polymermembranen eine Dicke von 30 bis 50 Mikrometern, was die Kommunikation zwischen den Zellen behindert und das Zellwachstum einschränkt.
Die neue, nur fünf Mikrometer dünne Konstruktion aus Seidenproteinen soll nun Abhilfe schaffen. Sie ahmt die natürliche extrazelluläre Matrix nach und verbessert so die Gewebebildung. „Wir wollen die Gewebe […] so handhaben, wie ein Pathologe Biopsieproben oder sogar lebendes Gewebe eines Patienten handhaben würde“, so Bioingenieurin Samira Musah von der Duke University in einer Pressemitteilung. „Mit den Standard-Polymermembranen war dies jedoch nicht möglich, da die zusätzliche Dicke die Zellen daran hinderte, Strukturen zu bilden, die den Geweben im menschlichen Körper näher kommen“. Auf der Suche nach einer Lösung kamen die Forscher schließlich auf den Ansatz einer natürlichen Membran. „Wir dachten: Wäre es nicht schön, wenn wir ein Material auf Proteinbasis bekommen könnten, das die Struktur dieser natürlichen Membranen nachahmt und dünn genug ist, um es in Scheiben zu schneiden und zu untersuchen?“
Erfolgreiche Tests offenbaren „großes Potenzial“
Die Forscher testeten die Seidenmembran in einem Nierenmodell aus Plastik und induzierten so humane Stammzellen. Hier differenzierten sich die aufgebrachten Stammzellen zu Podozyten, Endothelzellen und bildeten eine Kapillarwand aus. „Die Fähigkeit des Chips, gewebespezifische Morphogenese und Barrierefunktion zu induzieren, hat großes Potenzial für das Verständnis von Organentwicklung, Krankheitsverläufen und Wirkstofftests“, so Musah.
Die Membran selbst wurde durch Elektrospinnen aus Seidenproteinen der Seidenraupe hergestellt. Im Rasterelektronenmikroskop offenbart sich ihre poröse Faserstruktur, die der extrazellulären Matrix ähnelt. Die Vorteile der neuen Technologie liegen laut den Forschern auf der Hand: Realistischere Krankheitsmodelle können die Arzneimittelentwicklung beschleunigen und die Erforschung von Organfunktionen und -entwicklung voranbringen. Musah sieht „Implikationen für alle Organ-on-a-Chip-Modelle von Gehirn, Leber und Lunge“.
Bildquelle: Xingrui Mou & Samira Musah, Duke University