Die Debatte um die Lebensweise des gigantischen Spinosaurs, eines der größten Raubtiere der Erdgeschichte, scheint eine neue Wende zu nehmen. Wissenschaftler der Universität Chicago präsentieren eine neue Analyse, die deutlich macht, dass dieser Dinosaurier eher ein „Reiher aus der Hölle“ war, als ein tiefer Taucher.
Zweifel an alten Studienergebnissen
Lange Zeit war unklar, wie der Spinosaurus aegyptiacus seine Beute jagte. War er ein geschickter Schwimmer, der tief untertauchte, oder ein abwartender Räuber der nahen Uferzonen? Eine aktuelle Untersuchung, die im Journal PLOS ONE veröffentlicht wurde, zeigt nun, dass der Dino wahrscheinlich nicht für das tiefe Wasser gemacht war. Erst im Jahr 2022 erschien eine Studie, die vorschlug, dass es sich um ein wahres Tiefsee-Monster gehandelt haben müsse. Damals wurde ein Ansatz gewählt, der als phylogenetische flexible Diskriminanzanalyse (pFDA) bekannt ist und Ähnlichkeiten zum maschinellen Lernen aufweist. Hierfür trainiert die pFDA-Technik einen Klassifizierungsalgorithmus auf eine Gruppe von Arten, deren Lebensweise gut verstanden ist. Dieser Algorithmus soll dann die Wahrscheinlichkeit abschätzen, welche Verhalten das Tier an den Tag legte. „Leider funktioniert diese Technik nicht richtig, wenn man nicht viele Daten hat, Äpfel mit Äpfeln vergleicht und überprüft, ob die Daten bestimmte statistische Voraussetzungen erfüllen“, so Studienleiter Nathan Myhrvold. „Keine dieser Voraussetzungen wurde in der früheren Studie erfüllt, so dass die Ergebnisse einer erneuten Prüfung nicht standhielten“.
Die Wissenschaftler hinterfragten also die Knochendichte des Spinosaurs und kamen zu dem Schluss, dass die früheren Annahmen über seine Schwimmfähigkeiten und Tauchneigung möglicherweise überschätzt wurden. Hierfür fertigten sie digitale Skelett- und Fleischmodelle an. „Wir dachten, wir würden versuchen, ihre Messungen zu replizieren“, so Paul Sereno, PhD von der Universität Chicago in einer Pressemitteilung. „Aber wir stießen auf viele Faktoren, die eine Bandbreite von Werten generierten – genug, um die Schlussfolgerungen infrage zu stellen.“
Orientierung an aquatischen Säugetieren
Die Analyse der Knochendichte musste sich sowohl mit den physiologischen Eigenschaften moderner aquatischer Säugetiere als auch mit den spezifischen Anpassungen von Dinosauriern auseinandersetzen. In ihrer Mitteilung schrieben die Forscher: „Einige moderne Wassersäugetiere wie Seekühe haben geschwollene, dichte Knochen, die ihnen helfen, unter Wasser zu bleiben, wie der Gewichtsgürtel eines Tauchers. Große Landtiere wie Elefanten und Dinosaurier haben ebenfalls dichte Knochen, um ihre erhöhte Körpermasse zu tragen. Bei den meisten modernen Vögeln und vielen Dinosauriern, darunter auch Spinosaurus, ist das Gegenteil der Fall: Sie haben Luftsäcke, die an den Lungen oder in den Knochen befestigt sind und wie eine Schwimmweste wirken, die das Untertauchen verhindert“.
So deuten die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass der Urzeit-Riese wohl eine außergewöhnliche Knochenstärke benötigte, um sein Gewicht auf relativ kurzen Hinterbeinen zu stützen. So konnte er in Gewässer waten, die mehr als zwei Meter tief waren, ohne aufzutreiben, und von dort Fische jeder Größe mit Krallen und Kiefern überfallen, während seine Zehen fest im Schlamm verankert blieben.
Bildquelle: Daniel Navarro