Ich habe hier Ende 2019 bereits darauf hingewiesen, dass Metformin, das einfache und preiswerte Standard-Medikament gegen Diabetes 2, inzwischen in manchen Kreisen als eine Art Wunderdroge gegen Alterserscheinungen wie vor allem Fettleibigkeit, Diabetes und Herz-Kreislauf-Probleme gilt. Es wird überdies von Bodybuildern als Ersatz für regelmäßige Kraftübungen und neuerdings auch als Schlankheitsmittel missbraucht. Da der unkontrollierte Einsatz von Metformin aber das Risiko von Verdauungsstörungen und Nierenschäden infolge einer Übersäuerung des Blutes birgt, raten verantwortungsbewusste Ärzte und Apotheker allerdings dringend von solchen Off-Label-Anwendungen ab. Unbestritten bleibt aber, dass Metformin effektiv gegen Übergewicht hilft.
Das möchte man sich in Zukunft stärker in der Psychiatrie zunutze machen. Die Behandlung von Patienten mit Bipolarer Störung, Schizophrenie oder psychotischer Depression mit Antipsychotika der zweiten Generation (wie Clozapin, Olanzapin oder Quetiapin) führt nämlich zu einer zum Teil sehr starken Gewichtszunahme und somit zum Diabetes-Risiko. Um dem abzuhelfen, stehen den Medizinern drei Alternativen zur Verfügung: a) der Umstieg auf andere, weniger dick machende Antipsychotika wie Aripiprazol, Perphenazin oder Molinddon, b) die intensive Ernährungs- und Lebensstilberatung der Patienten und c) die Verabreichung von Metformin.
Diese Alternativen wurden nun an vier amerikanischen Universitäten über 24 Wochen lang in einer klinischen Studie an insgesamt 127 bereits übergewichtigen jungen Probanden zwischen 8 und 19 Jahren (Altersdurchschnitt 13,7 Jahre) getestet. Die Mehrzahl der Probanden (64,6 %) war männlichen Geschlechts. Die meisten Patienten (84,2%) litten an einer Bipolaren Störung, 9,4 Prozent hatten Diagnosen aus dem schizophrenen Spektrum und 6,3 Prozent litten an psychotischer Depression. Auch die Begleit-Symptome wurden dokumentiert: Bei 35,4 Prozent der Studienteilnehmer war es ADHD, bei 26 Prozent waren es Formen des Autismus und bei 25,2 Prozent Angststörungen. Die Hälfte der Patienten hatte bereits einen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik hinter sich.
Zu Beginn der Studie wurden 46,4 Prozent der Teilnehmer mit Aripiprazol und 38,6 Prozent mit Risperidon behandelt. Die aktuelle Medikation währte im Schnitt befreits über 20 Monate. Fast die Hälfte der Test-Patienten hatte bereits einen Medikationswechsel hinter sich, bevor die Klinische Studie einsetzte. Alle Studienteilnehmer erhielten die Ernährungs- und Lebensstil-Beratung. 49 Personen erhielten neben einen Antipsychotikum Metformin, 31 Personen wechselten lediglich das Medikament. Der Umstieg auf Perphenazin musste allerdings vor Studienende gestoppt werden, weil über 35 Prozent der damit behandelten Jugendlichen psychiatrisch auffällig wurden. Sowohl in der Metformin- als auch in der Medikationswechsel-Gruppe sank der Body Mass Index (BMI) bis zum Ende der Studie signifikant (um 0,09 bei der Metformin- und 0,11 bei der Wechsel-Gruppe. Bei der Gruppe, die nur an der Ernährungs- und Lebensstil-Edukation teilnahm, stieg der BMI hingegen leicht, aber nicht signifikant an. Somit kann die Einnahme von Metformin bei der psychiatrischen Behandlung Jugendlicher die gewünschte Reduktion von Übergewicht unterstützen. Die Autoren der Studie weisen allerdings darauf hin, dass dieser Vorteil mit Verdauungsproblemen verbunden sein kann.
Correll CU, Sikich L, Reeves G, et al. : Metformin add-on vs. antipsychotic switch vs. continued antipsychotic treatment plus healthy lifestyle education in overweight or obese youth with severe mental illness: results from the IMPACT trial, in: World Psychiatry. 2020 Feb;19(1):69-80. doi: 10.1002/wps.20714.