Eines der größten Probleme für Krankenhäuser der heutigen Zeit sind sogenannte multiresistente Keime, gegen die viele von den aktuellen Antibiotika versagen und die immer wieder Tote rund um die Welt fordern. Ein Team von Forschern hat in Versuchen „Lockstoffe“ in bestehende Medikamente integriert und die neu hergestellten Stoffe und ihre Auswirkungen vorgestellt. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse nun im Fachjournal „Nature“.
Erreger lernen sich zu verteidigen
Die Entdeckung des Penicillins gab der Menschheit erstmals die Möglichkeit bakterielle Infektionen zu behandeln und die Krankheitserreger im Körper zu hemmen oder zu töten. Allerdings passen sich immer mehr Bakterien den Medikamenten an und finden Wege, wie sie gegen diese resistent werden.
Besonders bekannt ist dafür das Bakterium Staphylococcus Aureus, dessen Resistenz gegen das Antibiotikum Methicillin immer öfter den Einsatz von Reserve-Antibiotika benötigt, was somit auch deren Wirkung in Zukunft gefährdet. MRSA (Methicillin-resistant Staphylococcus Aureus) soll schon jetzt für 37 % aller Blutvergiftungen verantwortlich sein, ausgelöst durch S. Aureus.
Für ihre Versuche benutzen die Forscher der australischen Monash University um Jennifer Payne das potente Antibiotikum Vancomycin. Neben der abtötenden Wirkung des Medikaments soll der neue Stoff auch Immunzellen anlocken.
Wie die Wissenschaftler erklären, ist neben der Resistenz auch die Fähigkeit der Bakterien, die Erkennung von Immunzellen wie Neutrophilen zu verhindern, ein großes Problem in der Behandlung. Normalerweise attackieren und bekämpfen die sogenannten Riesenfresszellen die Erreger und locken andere Immunzellen wie Neutrophile an.
Lockstoffe sollen mehr Immunzellen anlocken
Schon länger ist bekannt das formylierte Peptide (fPeps), die von Bakterien ausgeschüttet werden, die Neutrophile an den Ort des Geschehens locken. Genau dies wollen sich die Forscher zunutze machen und integrieren den „Lockstoff“ in das Molekül von Vancomycin.
Auch andere Immunzellen wie Riesenfresszellen finden die Erreger nach diesem Mechanismus. Sie können die Konzentration der Aminosäureketten erkennen und schwimmen im Körper immer in die Richtung der höheren Dichte. Da S. Aureus einen Weg gefunden zu haben scheint, diese Signale zu „verstecken“, hoffen die Forscher, mit dem fPep-Vancomycin-Produkt den Immunzellen ihre Arbeit wieder zu erleichtern.
Durch das normale Binden des Antibiotikums an die Zellwand der Bakterien, kann dieses dort die Botenstoffe ausschütten und ein „Konzentrationsgefälle von Lockstoffen um die S. Aureus Zellen aufbauen, welches die Anlockung von Neutrophilen zur Infektion verbessert“ und das Bekämpfen der Bakterien erleichtert, so die Experten in ihrer Studie.
Reale Anwendung noch in weiter Ferne
Bei Versuchen mit Labormäusen konnten die Wissenschaftler schon erste Erfolge verzeichnen. Die MRSA-infizierten Mäuse konnten mit einer „5 bis 7-fach niedrigeren Dosis“ geheilt werden, als ohne die integrierten fPeps benötigt wären worden, so die Wissenschaftler.
Allerdings wird die tatsächliche Anwendung der Ergebnisse beim Menschen noch viel Zeit benötigen. Die Forscher betrachten ihre Ergebnisse als Grundlagenforschung, da noch viele Informationen zu Art, Stelle der Ankopplung und die Länge des neuen Moleküls erforscht werden muss.
Außerdem soll das Medikament später nicht nur die Anlockung der Immunzellen verbessern. „Das Verbessern des neutrophilen Abtötens“ wird essenziell sein für die Funktion des neuen Moleküls, so die Studie. Aber auch vor dem Hintergrund von Nebenwirkungen von konventionellen Antibiotika lassen die Ergebnisse auf verbesserte Therapiemöglichkeiten in Zukunft hoffen.