Das neuartige Coronavirus, das unser Leben seit Anfang letzten Jahres bestimmt, wirft immer noch Fragen auf. Besonders über mögliche Langzeitfolgen war lange Zeit nichts bekannt. „Long-Covid“ beschreibt den Zustand von Patienten, die auch lange nach einer durchgemachten Infektion noch mit Folgen der Erkrankung zu kämpfen haben. Wie viele Menschen unter Folgen der Erkrankung leiden, versuchen Forscher auf der ganzen Welt herauszufinden. Ein Team aus den USA hat dazu die Daten vieler Studien verglichen und ihre Ergebnisse veröffentlicht.
Corona kann auch später noch vielseitige Auswirkungen haben
Die Wissenschaftler des Milton S. Hershey Medical Center in den USA um Gesundheitsforscher Vernon M. Chinchilli veröffentlichten die Auswertung ihrer Studie im Fachjournal JAMA. In der sogenannten Meta-Analyse zogen die Forscher Daten aus 57 Studien weltweit heran, um die Häufigkeit von Langzeitfolgen zu untersuchen.
Insgesamt werteten die Forscher Daten von 250.351 Menschen aus, von welchem 79 % im Krankenhaus stationär behandelt wurden. Durch die hohe Hospitalisierungsrate und das Durchschnittsalter von 54 Jahren der Befragten, ist die Studie kein Querschnitt der Gesellschaft, zeigt aber eindrucksvoll die Folgen, die eine schwer symptomatische Covid-19-Erkrankung auf unseren Körper haben kann.
Das sogenannte Long-Covid, welches Spätfolgen einer Covid-19-Erkrankung beschreibt, ist sehr vielseitig. Eine Studie des University College of London (UCL) beschreibt über 200 Symptome, welche bei Patienten nach der Infektion bestehen blieben und 10 Organsysteme im Körper betraf. Darunter oft extreme Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Herzrasen, Brustschmerzen oder Brustenge, Probleme mit Konzentration und Gedächtnis („Brain fog“) oder auch bleibende Veränderungen von Geruch- und Geschmackssinn. Manche Wissenschaftler vergleichen Long-Covid mit dem Chronic-Fatigue-Syndrome, da Patienten oft die Fähigkeit verlieren würden, alltägliche Aktivitäten wie Duschen, Einkaufen oder sich einfache Wörter merken, zu absolvieren.
Über die Hälfte der Befragten haben Atemschwierigkeiten
Bei all den untersuchten Studien traten Atembeschwerden am häufigsten auf, gefolgt von neurologischen Symptomen, psychologischen Beschwerden, Mobilitätsbeschwerden und Konzentrationsschwierigkeiten. So klagten fast 65 % der Long-Covid-Erkrankten über Atembeschwerden, noch lange nach der Infektion. Auch auf radiologischen Aufnahmen der Lunge waren bei 62 % noch Veränderungen zu sehen.
Weiterhin gaben fast ein Viertel der Patienten an, unter Konzentrationsschwierigkeiten zu leiden. Die gefürchtete chronische Müdigkeit gaben hier 37,5 % der Befragten an. Aus der gesamten Zahl von untersuchten Patienten, gaben 55 % an nach einem Monat noch mit Beschwerden zu kämpfen zu haben. Diese Zahl blieb recht stabil, nach 6 Monaten waren es immer noch 54 %.
Coronaregeln als Einfluss für Langzeitfolgen
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass auch die Begleitumstände der Krankheit einen Einfluss auf die Häufigkeit der Folgen habe. Neben der allgegenwärtigen sozialen Isolation wirken sich auch posttraumatischer Stress und finanzielle Sorgen sowie Probleme am Arbeitsplatz auf die Gesundheit aus. Die Studie ist ein weiteres Indiz dafür, dass Covid-19 eine Multi-System-Krankheit ist, die weitaus mehr als nur die Lunge angreifen kann.
Besonders problematisch könnte es in armen Ländern werden. „Diese Langzeitfolgen einer Covid-19-Erkrankung treten in einem Umfang auf, der bestehende Kapazitäten des Gesundheitssystems überfordern könnte“, kommentieren die Forscher ihre Arbeit. Die gelte besonders für „Länder mit geringem und mittlerem Einkommen.“ Während die ärmeren Länder schon vorher mit Schwierigkeiten in medizinischer Versorgung oder Impfungen ihrer Bevölkerung hatten, könnte Covid-19 auch weiterhin ihr Gesundheitssystem kritisch belasten.
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