Die Natur der dunklen Materie, die etwa 85 % der Masse unseres Universums ausmacht, stellt Wissenschaftler seit Jahrzehnten vor ein Rätsel. Eine Theorie besagt, dass sie aus primordialen schwarzen Löchern bestehen könnte, die kurz nach dem Urknall entstanden sind. Neue Forschungsergebnisse legen jedoch nun nahe, dass diese Hypothese unwahrscheinlich ist.
Ausschließlich gravitative Wechselwirkungen
Physiker sind sich aufgrund diverser Messungen und Beobachtungen mittlerweile einig, dass die gewöhnliche Materie, die wir sehen oder anfassen können, nur 5 % des gesamten Massen- und Energiehaushalts des Universums ausmacht. Anders könnten bestimmte Phänomene, wie die Geschwindigkeit der Sterne an Galaxierändern nicht erklärt werden. Berechnungen zufolge kommen etwa in der Milchstraße auf 1 kg gewöhnliche Materie in den Sternen 15 kg dunkle Materie, die kein Licht aussendet und nur durch ihre Anziehungskraft wechselwirkt. Doch wo ist diese Materie zu finden?
Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Dr. Przemek Mróz von der Universität Warschau hat in einer Studie gezeigt, dass massive schwarze Löcher höchstens einen kleinen Bruchteil der dunklen Materie ausmachen können. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. „Die Natur der dunklen Materie bleibt ein Mysterium. Die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass sie aus unbekannten Elementarteilchen besteht“, sagt Hauptautor Dr. Przemek Mróz vom Astronomischen Observatorium der Universität Warschau in einer Pressemitteilung. „Leider hat trotz jahrzehntelanger Bemühungen kein Experiment (einschließlich der Experimente mit dem Large Hadron Collider) neue Teilchen gefunden, die für die dunkle Materie verantwortlich sein könnten.“
Beobachtungen bleiben weit hinter Erwartungen zurück
Die Forscher suchten für ihre Studie nach charakteristischen Helligkeitsveränderungen, die auf die Anwesenheit massereicher schwarzer Löcher hindeuten würden. Hierfür nutzten sie eine raffinierte astronomische Technik namens Gravitationsmikrolinseneffekt. Dabei wird die Lichtkrümmung durch massive Objekte gemessen, die zwischen der Erde und einer entfernten Lichtquelle liegen. Das Team analysierte fast 20 Jahre lang die Helligkeitsschwankungen von etwa 80 Millionen Sternen in der Großen Magellanschen Wolke, einer Nachbargalaxie der Milchstraße. Die Daten stammten dabei vom Optical Gravitational Lensing Experiment (OGLE), einem der längsten und genauesten photometrischen Beobachtungsprojekte der modernen Astronomie.
„Wenn die gesamte dunkle Materie in der Milchstraße aus schwarzen Löchern von 10 Sonnenmassen bestünde, hätten wir 258 Mikrolensing-Ereignisse entdecken müssen“, so Dr. Mróz. „Für Schwarze Löcher von 100 Sonnenmassen erwarteten wir 99 Mikrolensing-Ereignisse. Für Schwarze Löcher von 1000 Sonnenmassen – 27 Mikrolensing-Ereignisse.“ Die Studienergebnisse sprachen jedoch eine andere Sprache. Die Wissenschaflter fanden lediglich 13 Mikrolinsen-Ereignisse, die alle durch bekannte stellare Populationen in der Milchstraße oder der Großen Magellanschen Wolke selbst erklärt werden konnten. Die Berechnungen zeigten, dass schwarze Löcher mit 10 Sonnenmassen höchstens 1,2% der dunklen Materie ausmachen können, solche mit 100 Sonnenmassen maximal 3,0% und selbst 1000 Sonnenmassen schwere schwarze Löcher nicht mehr als 11%.
Professor Andrzej Udalski, Leiter des OGLE-Projekts, betont die Tragweite der Studie: „Unsere Ergebnisse werden noch jahrzehntelang in Astronomie-Lehrbüchern stehen.“ Die Forschung öffnet nun die Tür für alternative Erklärungen zur Entstehung massiver schwarzer Löcher, wie etwa die Evolution massearmer Sterne oder Verschmelzungen in dichten Sternhaufen.