Unter dem gemeinsamen Druck von Wissenschaft und Öffentlichkeit hat die Europäische Union am 12. Juni 2019 ihre bahnbrechende Einweg-Kunststoffrichtlinie verabschiedet. Der ehrgeizige Text ist Ausdruck des umweltpolitischen Engagements von Ursula von der Leyen, und die Richtlinie wird schrittweise in die nationalen Rechtsrahmen der EU-Mitgliedstaaten übernommen. In Frankreich ist dieser Prozess bereits vollzogen, denn dort ist der Verkauf einer Reihe von Einweg-Plastikprodukten inzwischen verboten. Vom CO2-Fußabdruck über die gesundheitlichen Folgen bis hin zur Verschmutzung der Meere – wie können wir jetzt auf zuverlässige Alternativen setzen?
Seit den 1950er Jahren hat die Nutzung von Kunststoffen exponentiell zugenommen
Um die Entwicklung der weltweiten Kunststoffproduktion zu beschreiben, muss man nur ein Wort verwenden, das ganz Europa seit der Verbreitung von Covid-19 kennt: exponentiell. Während der Planet 1950 nur ein paar Millionen Tonnen Plastik produzierte, könnte diese Zahl in den kommenden Jahren die symbolträchtige Marke von einer halben Milliarde erreichen.
Einwegplastik ist mit Abstand der Hauptverursacher für diesen schwindelerregenden Anstieg. Nach Angaben des französischen Parlamentsbüros für die Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Entscheidungen (OPECST) entfielen im Jahr 2015 35,9 % der Kunststoffproduktion auf den Verpackungssektor. Das übertrifft bei weitem die Bereiche Bauwesen (16%), Textilien (14,5%) und Konsumgüter (10,3%).
Angesichts der öffentlichen Meinung, die von Bildern des „sechsten Kontinents“ aus Plastik im Herzen des Nordpazifiks geprägt ist, können französische und europäische Beamte kaum noch Unwissenheit vortäuschen. Zwischen 80% und 85% des Mülls, der heute in der Meeresumwelt gefunden wird, besteht nach EU-Angaben aus Plastik. Da 85% der Öffentlichkeit ein Verbot von Einwegplastikprodukten und -verpackungen befürwortet, kann sich die Regierung sogar rühmen, zumindest dieses eine Mal einstimmige Unterstützung zu genießen.
Kunststoffe tragen maßgeblich zum Klimawandel bei
Die Verschmutzung durch Plastik ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Unbemerkt von der Öffentlichkeit tragen Kunststoffe auch zur weniger sichtbaren, aber ebenso beunruhigenden Bedrohung des Klimawandels bei. Weil sie aus Erdöl, Erdgas und Kohle – drei fossile Brennstoffe, deren Verwendung die Menschheit einzuschränken versucht – hergestellt werden, sind Kunststoffe starke Emittenten von Treibhausgasen und tragen somit aktiv zur globalen Erwärmung bei.
Um ein Gefühl für die Größenordnung zu erhalten, möge eine Schätzung des World Wildlife Fund (WWF) herhalten, nach der die Kunststoffproduktion im Jahr 2016 für 2 Milliarden Tonnen ausgestoßenes CO2 verantwortlich war. Die Tatsache, dass die beiden Hauptproduzenten von Plastik China und die Vereinigten Staaten sind, deren Fabriken größtenteils mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, trägt wesentlich zu dieser katastrophalen Ökobilanz bei.
Unüberwindbare Herausforderungen im Kunststoffrecycling
Ein weiterer Grund für die weit verbreitete Feindseligkeit gegenüber Kunststoffen: Ihre Recyclingrate ist extrem niedrig. Wenn nichts unternommen wird, wird sich der Plastikmüll unaufhaltsam weiter anhäufen, bis die fossilen Brennstoffe, die zu seiner Herstellung verwendet werden, erschöpft sind. OPECST, welches die Lebenszyklen der produzierten Kunststoffe erforscht hat, behauptet, dass nur 9 % des zwischen 1950 und 2015 erzeugten Kunststoffabfalls recycelt wurden.
Dagegen sind 79 % der insgesamt produzierten Kunststoffmenge auf Mülldeponien gelandet oder in die Umwelt gelangt, 12 % wurden verbrannt und der Rest ist noch in Gebrauch. Für diese niedrige Quote sind vor allem technische Gründe verantwortlich, da ein großer Teil der Kunststoffe nicht recycelbar ist. Solange die Ölpreise relativ niedrig sind, ist es auch kostengünstiger, Kunststoff zu erzeugen, als ihn zu recyceln.
Zumindest in diesem Bereich zeigt die Europäische Kommission offenbar ein gewisses Maß an Initiative, indem sie darauf besteht, dass „bis 2030 alle Kunststoffverpackungen, die in der EU auf den Markt gebracht werden, wiederverwendet oder leicht recycelt werden (müssen)“. Dieses Ziel wurde insbesondere in den Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft integriert, der vom europäischen Kommissar für den Binnenmarkt, dem Franzosen Thierry Breton, gefördert wird.
In Frankreich setzt das im Februar 2020 in Kraft getretene Gesetz 2020-105 „zur Abfallbekämpfung und zur Kreislaufwirtschaft“ das Ziel für recycelten Kunststoff auf 100% bis 2025 – gegenüber 26 % heute.
Doch laut Nathalie Gontard, Forscherin am französischen Nationalen Institut für Agrarforschung (INRA) und führende Expertin für das Thema Kunststoffverpackungen, ist dieses Ziel eine „Illusion“. Gontard fordert stattdessen eine Politik, die „Materialien bevorzugt, die wirklich biologisch abbaubar sind, wie Holz, Papier, Pappe, oder sogar Materialien, die wirklich recycelbar sind, wie Glas und Metall“. Vor allem drängt sie auf eine drastische Reduzierung der Produktion von Kunststoffen.
Zuverlässige Alternativen zu Glass
Die Bedürfnisse von Verbrauchern, Unternehmen oder Gastronomen zu befriedigen und gleichzeitig die Klimaziele der EU zu erfüllen, ist ein komplexer Balanceakt. Und doch scheinen sich einige der wichtigsten alternativen Verpackungsoptionen, wie z. B. Papierverpackungen, hervorragend zu bewähren. Eine neue Ökobilanzstudie, die in diesem Monat von Ramboll veröffentlicht, vom TÜV zertifiziert und von der European Paper Packaging Alliance (EPPA) in Auftrag gegeben wurde, zeigt, dass papierbasierte Einwegverpackungen für Schnellrestaurants immer einen kleineren CO2-Fußabdruck haben als wiederverwendbares Plastikgeschirr.
Auch wenn diese Ergebnisse kontraintuitiv erscheinen mögen, beruht die Studie auf einer gezielten Analyse des Energieverbrauchs beim Wasch- und Trocknungsprozess von Mehrweg-Kunststoffprodukten. Darüber hinaus kann die Papierindustrie mit einer Recyclingquote von 85,6 % hervorragende Ergebnisse vorweisen und leistet damit einen starken Beitrag zur Kreislaufwirtschaft. Wie EPPA erklärt, zeigt die neue Studie, „dass Mehrwegprodukte mit erheblichen Umweltkosten verbunden sein können, die oft übersehen werden, und dass Einweg-Lebensmittelverpackungen für die Umwelt, die öffentliche Gesundheit und das Erreichen der Green-Deal-Ziele der EU vorzuziehen sind“.
Umgekehrt stoßen einige Alternativen, die manchmal als vielversprechend angesehen werden, auf Probleme, wenn sie mit der wissenschaftlichen Literatur konfrontiert werden. Auch wenn es verlockend erscheinen mag, würde eine Rückkehr zu Glas nicht zu einer sehr günstigen Kohlenstoffbilanz führen. Eine 2008 durchgeführte Vergleichsstudie, die die Verwendung von Glas- und Plastikflaschen für Babyprodukte gegenüberstellte, ergab, dass die Verwendung von Plastik umweltfreundlicher ist als die von Glas. Das liegt daran, dass Glas, das viel schwerer als Kunststoff ist, in der Transportphase seines Lebenszyklus viel mehr CO2-Emissionen – zwischen einem Viertel und einem Drittel – verursacht als Kunststoff. Eine andere Studie zu Softdrinks zeigte ähnliche Ergebnisse, auch hier wurde Kunststoff gegenüber Glas bevorzugt.
So dringend die Abkehr von Kunststoffen ist, so dringend ist auch die groß angelegte Entwicklung von praktikablen und umweltverträglichen Alternativen – eine echte Herausforderung für die Länder der Europäischen Union.
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