Immer wieder orientieren sich Menschen bei der Entwicklung von technischen und mechanischen Produkten an der Natur und dem Tierreich. Nun hoffen Forscher der Uni Kiel, durch die Entdeckung einer „Schmiersubstanz“ im Kniegelenk des großen Schwarzkäfers (Zophobas morio), prosthetische Gelenke oder die Mikrorobotik zu verbessern.
Insektengelenke sind großen Belastungen ausgesetzt
In einer neuen Studie beschreibt das Forschungsteam der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel die Entdeckung der Substanz, die in Kniegelenken des Käfers gefunden wurden. Sie veröffentlichten die Ergebnisse in der Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society.
Während die Gelenke von Säugetieren von einer Kapsel geschützt sind, liegen die Gelenke von Insekten frei und sind den Umwelteinflüssen voll ausgesetzt, wodurch sie mechanischen Gelenken gleichen. Insekten nutzen diese Körperteile allerdings weit umfangreicher als Säugetiere. In ihrem Alltag fliegen, laufen, klettern oder graben sie mit den gleichen Gliedmaßen. „Aber die Forschung weiß fast nichts darüber, wie Insektengelenke aufgebaut sind, um diese Bewegungen zu bewältigen, und aus welchen Materialien sie bestehen“, sagt Professor Stanislav Gorb, Professor für funktionelle Morphologie und Biomechanik an der CAU in einer Pressemitteilung.
Teflon in Insektenbeinen
Während der Versuche der Forschergruppe gewannen sie das Material aus einer Vielzahl an Käfergelenken. Die Biologen verglichen die Gleitfähigkeit des Käfers mit dem bekannten Beschichtungsmaterial Teflon. „Unsere Experimente zeigen, dass sich die Gleitwirkung der Käfersubstanz der von Teflon ähnelt, was bekanntlich die beste Antireibung-Wirkung hat, die sich zurzeit künstlich herstellen lässt“, erklärt Prof. Stanislav Gorb.
Die Forscher fanden im Zuge der Experimente Mikroporen, aus deren Stränge einer bestimmten Substanz austraten, die dann verklumpten und im Gelenkspalt zu finden waren. Wahrscheinlich polstern die Klumpen den direkten Kontakt zwischen den Gelenkoberflächen und lassen die Bewegung so flüssiger und widerstandsfreier ablaufen, so die Forscher. Da Insektengelenke offen sind, würde eine flüssige Gelenksubstanz – wie beim Menschen – in den Gelenken austrocknen.
Helfen Käfer neuen Entwicklungen in Mikrorobotik oder Miniprothetik?
Da sie die Substanz auch in Gelenken von anderen Insektenarten gefunden haben, glauben die Wissenschaftler einen wichtigen Bestandteil der Biomechanik von Insekten gefunden zu haben. Dazu äußerten sich die Forscher: „Dafür spreche auch, dass wir es bereits in den Kniegelenken anderer Insektenarten gefunden haben, wie der argentinischen Waldschabe, bei der keine enge Verwandtschaft zu Käfern nachgewiesen ist.“ Die Konsistenz des Schmierstoffes und die Beschaffenheit von Gelenken von Insekten machen die Substanz interessant für die Entwicklung von Gelenken und Mikrorobotik oder in winzigen Prothesen.
Allerdings befindet sich die Käfer-Biologie in dieser Hinsicht noch in ihren Kinderschuhen. Durch die schlechte Löslichkeit in Wasser sei es nach wie vor problematisch, die Substanz chemisch zu untersuchen und zu analysieren. Außerdem müssen die Wissenschaftler einen Weg finden, um die Substanz in großen Mengen synthetisch herzustellen, da das „händische Sammeln […] sehr aufwendig“ sei, so Erstautor Nadein von der Universität Kiel.
Immerhin: Forscher der Universität Aarhus in Dänemark nahmen ihrerseits Analysen der Schmier-Substanz vor und fanden heraus, dass sie hauptsächlich aus Proteinen besteht.
Nun möchten die Biologen herausfinden, wie genau Insekten ihre Beine bewegen und wie sie ihre Gelenke von äußeren Einflüssen, wie etwa Verschmutzung, schützen.
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