Manche europäische Gebiete erwärmen sich aufgrund des Klimawandels offenbar doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt. Das teilen Wissenschaftler aus Schweden und der Schweiz in einer neuen Studie mit, die Anfang November im Fachjournal „JGR Atmospheres“ erschien.
3 Grad Erwärmung in 40 Jahren
Für ihre Studie verglichen die Klima-Forscher Werte von 1979 bis 2020 und achteten auch auf die Korrelation zwischen wolkenverhangenem und klarem Himmel. Wenn in den Sommermonaten die Sonne ungehindert auf den europäischen Kontinent scheinen konnte, waren große Teile Europas im Jahr 2020 um drei Grad heißer als im Jahr 1979. In vielen mittel- und südeuropäischen Regionen scheinen sich die Temperaturen somit stärker als der globale Durchschnitt erwärmt zu haben. Besonders betroffen sind die iberische Halbinsel, aber auch weite Teile von Osteuropa wie die Ukraine.
Für diesen außerordentlich schnellen Temperaturanstieg gibt es laut den Wissenschaftlern verschiedene Gründe und Mechanismen. In Südeuropa liege die Erwärmung unter anderem an einer positiven Rückkoppelung: Weil die Erde in diesen Regionen schon immer trocken war, gibt es wenig Evaporation, also Verdunstung, was wiederum zu weniger Niederschlag und einer Erhöhung der Temperaturen führt. Die Trockenheit trägt auch zu den erhöhten Vorkommen von Bränden bei. „Was wir in Südeuropa sehen, stimmt mit der Prognose des IPCC überein. Der menschliche Beitrag zum Treibhauseffekt führt dazu, dass trockene Gebiete auf der Erde noch trockener werden“, sagt Paul Glantz, Erstautor der Studie von der Universität Stockholm, in einer Pressemitteilung.
Der Hauptgrund für die besorgniserregende Entwicklung in Europa ist laut den Wissenschaftlern ironischerweise auf die Verbesserung der Luftqualität auf dem Kontinent zurückzuführen. So seien in den vergangenen Jahrzehnten die Aerosole in der Luft stark zurückgegangen, was beispielsweise an der Reduzierung von Kohleheizungen liegt. Das ist eigentlich ein positiver Trend, denn der Feinstaub ist für den Mensch gesundheitsschädigend. Allerdings haben Aerosole den kurzzeitigen Effekt, die Temperaturen abzukühlen, indem sie Sonnenstrahlen zurück ins Weltall werfen. Die Partikel verweilen nur ungefähr eine Woche in der Atmosphäre, im Gegensatz zu den Treibhausgasen, die sehr lang bestehen bleiben. „Da die Aerosole in der Atmosphäre abgenommen haben, ist die Temperatur schnell angestiegen“, erklärt Glantz. Der Feinstaub bildete also nur einen kurzzeitigen Schutz vor dem Temperaturanstieg in Europa, der ansonsten schon früher, wenngleich langsamer stattgefunden hätte.
Pariser Klimaabkommen für Landtemperatur bereits gescheitert
Die neu errechneten Werte der schwedischen und schweizerischen Wissenschaftler lassen mehr und mehr am 1,5-Grad-Ziel der UN-Klimakonferenz zweifeln. Im Jahr 2015 hatten sich 195 Staaten der Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen verpflichtet, um die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels in Grenzen zu halten. Inzwischen hätten sich global gesehen Landmassen im Durchschnitt bereits um 1,6 Grad Celsius erwärmt.
Zwar steige die Lufttemperatur über Erde, Gestein oder Beton schneller als über Ozeanen, Meeren und Seen, da das Wasser die Wärme aufnimmt, während sie von Land zurückgestrahlt wird, weshalb die heiße Luft über dem Boden in der Atmosphäre verbleibt. Trotzdem darf angenommen werden, dass sich die Menschheit in Zukunft wohl darauf konzentrieren muss, die Grenze von 2 Grad Celsius nicht zu überschreiten.
Bild von andreas160578 auf Pixabay, Artikel von Anna Mikulics