Die Massenwanderungen von Zebra, Gnus und Gazellen in der Serengeti sind weltweit mittlerweile ein recht einzigartiges Phänomen. Viele ähnliche Wanderungen sind im Laufe der Jahre verschwunden, vorwiegend aufgrund der Verbreitung des Menschen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie in der Zeitschrift Science hat die Ereignisse in der Serengeti nun genauer untersucht.
Konkurrenz und Unterstützung bei der Nahrungssuche
Jahrzehntelang sind Biologen davon ausgegangen, dass die Weidepopulationen in der Serengeti – zunächst das Zebra, dann das Gnu und schließlich die Thomson-Gazelle – jeweils den Weg für die nachfolgenden kleineren Pflanzenfresser freigemacht und ihnen den Zugang zu den von ihnen bevorzugten Pflanzen erleichtert haben. Nun fanden die Forscher allerdings heraus, dass die Wanderungsmuster der Tiere von gleich drei Hauptfaktoren beeinflusst werden: Konkurrenz um Nahrung, Unterstützung bei der Nahrungssuche und Schutz vor Raubtieren.
Mittels Informationen aus Kamerafallen, GPS-Halsbändern einzelner Tiere, Nahrungsanalysen und Satelliten, die die Auswirkungen von Bränden und Niederschlägen auf das Grasland verfolgen, erstellten die Wissenschaftler die bisher größte und umfassendste Datenanalyse zu dem Thema. Dabei fanden sie heraus, dass die Gnus die Zebras in einem Wettbewerb um Nahrung drängen, während die größeren Arten den Gazellen den Zugang zu seltenen Pflanzen erleichtern, die ihnen die beste Ernährung bieten. Später in der Saison wechseln die Gazellen dazu, junge Gräser zu fressen, die nach dem Weiden der Zebras und Gnus nachwachsen
„Zebras sind im Wesentlichen Massenfresser. Sie benötigen eine große Menge an Vegetation, um ihren Energiebedarf zu decken“, erklärt Studienleiter Michael Anderson von der US-amerikanischen Wake Forest University in einer Pressemitteilung. „Wenn sie hinter den Gnus bleiben würden, würden die Gnus die gesamte Vegetation auffressen und die Zebras wären nicht in der Lage, ihren Energiebedarf zu decken. […] Diese Beobachtung war neu, und wir nennen sie die Push-Pull-Hypothese für die Weidesukzession.“
Die Zebrapopulation in der Serengeti ist etwa 200.000 Tiere stark, während die Gnus rund 1,3 Millionen Tiere übersteigen.„Das ist wie ein riesiger Rasenmäher“, so Anderson. „Sie haben einen enormen Einfluss auf die Grasbiomasse.“
Statistiker arbeiten mit Biologen
Für die Studie war die Zusammenarbeit zwischen Biologen und Statistikern entscheidend. „Die Hypothesen über Wettbewerb, Erleichterung und Raubtier-Schutz gibt es schon seit langem, aber sie lassen sich mit den normalerweise verfügbaren Daten nur schwer überprüfen“, kommentiert Statistikerin Staci Hepler. „Unsere Zusammenarbeit erforderte viele Gespräche mit den Biologen, die die Prozesse und Theorien erklärten, und mit mir, die die Modellierung erläuterte, sodass die entwickelten Modelle die Hypothesen tatsächlich testen konnten. […] Man muss zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass man die richtigen Fragen beantwortet.“
Die Ergebnisse dieser Studie haben nicht nur Auswirkungen auf die Serengeti, sondern können auch dazu beitragen, die Wiederherstellung von Grasländern weltweit zu informieren, in denen Pflanzen und Tiere gemeinsam evolviert sind. So kommentiert Studienleiter Anderson: „Wenn wir lernen wollen, diese Ökosysteme angesichts des globalen Klimawandels und zunehmender anthropogener Effekte zu managen, müssen wir von diesen Mechanismen lernen“.
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