Das Amazonasbecken erhält eine besonders schützenswerte Rolle im Klima- und Wasserkreislauf der Erde. Es verfügt über ein ausgedehntes Netz frei fließender Flüsse, das einen Lebensraum für eine artenreiche Vielfalt bietet. Doch das Ökosystem ist bedroht. Forscher identifizierten nun vermehrt künstlich unterbrochene Flussläufe, die sowohl für Mensch als auch Tier zur Gefahr werden könnten.
Süßwasserverbindungen erhalten die Artenvielfalt im Amazonas
Flussabschnitte mit einem ununterbrochenen Lauf sind für das Überleben vieler Süßwasserarten entscheidend. Unter den Tieren im Amazonasbecken sind Fische, Schildkröten und die ikonischen pinkfarbenen Flussdelphine der Region, die die Gewässer auf Nahrungssuche oder zur Fortpflanzung durchqueren. Bestehende und künftige Infrastrukturen durch den Menschen bedrohen jedoch dieses Ökosystem, indem sie durch Staudämme die Verbindung zwischen den Flüssen beeinträchtigen und damit Hindernisse für wandernde Arten darstellen.
Eine Studie, die im Conservation Science and Practice Magazin veröffentlicht wurde, hat sich diesem Problem gewidmet. Die Wissenschaftler untersuchten hierfür stark belastete Flussverbindungen des Amazonas, die für die Verbindung der Gewässer und damit auch den Arterhalt von besonderer Bedeutung sind. Das internationale Team hat mehr als 340.000 Flusskilometer untersucht, wobei die Vernetzung und das Vorkommen wichtiger Arten dokumentiert wurde. Dafür hat das Team Süßwasserkorridore (FCCs) ermittelt, die Flussabschnitte mit ununterbrochener Flussverbindung sind. Diese erweisen sich als lebensnotwendige Wege für mehr als 20 Arten wandernder Tiere.
„Unsere Ergebnisse zeigen, wo FCCs und wichtige Flussabschnitte für weit wandernde Fische, Schildkröten und Delfine im gesamten Amazonasbecken vorkommen, und bestätigen die Erkenntnis, dass wir Staudämme an den großen Flüssen vermeiden sollten, die Migrationswege für hydrologische und Sedimentströme bieten“, erklärt Paul van Damme, einer der Mitautoren der Studie.
So entdeckten die Autoren, dass bei den derzeit geplanten Baumaßnahmen zur Errichtung von Staudämmen nur 9 der 26 frei fließenden Flüsse über 1000 Kilometer, auch verbunden bleiben würden. Von Flüssen ab 500 km würden im Zukunftsszenario ein Fünftel den Verbindungsstatus verlieren. Darunter ist auch die Hauptader des Amazonas selbst.
Nur 23 % des Amazonasbeckens ist geschützt
Die Gesundheit der Populationen im Amazonasbecken wird stark von der Vernetzung der Lebensräume beeinflusst. Auch an Land lebende Tiere, wie Jaguare, sind von den Flussläufen ihres Lebensraumes abhängig, die in der Regenzeit Wälder und Lagunen überschwemmen.
Einige wichtige Verbindungen zwischen Flüssen seien bereits durch Staudämme unterbrochen worden. Während viele der FCCs durch Schutzgebiete fließen oder an diese angrenzen, fehlen oft Maßnahmen, die die Flüsse selbst schützen. Bei einer Untersuchung von Schutzgebieten in Brasilien seien „28 Vorgänge festgestellt worden, bei denen der Status oder die Grenzen von Schutzgebieten geändert wurden, um den Bau von Staudämmen zu ermöglichen“, stellte das Team um van Damme fest.
Nur etwa 23 % des Amazonasbeckens stehen unter Schutz. Die vernetzten Flüsse bieten dabei auch einen Lebensraum für den Menschen, der in der Region Fischerei, Landwirtschaft oder Flusstransport betreibt. Viele indigene Völker sind auf Fisch als Nahrungsgrundlage angewiesen. Rückgänge der Populationen und die damit verbundene Abnahme der Fangmengen könnten sich also auch auf die menschlichen Bewohner negativ auswirken. Eine Verbesserung der aktuellen Politik und die „Schaffung wirksamer Schutzmaßnahmen“ seien erforderlich, um sicherzustellen, dass wichtige Flüsse frei fließend oder in hohem Maße verbunden bleiben, erklären die Autoren.