Am 11. Dezember 2019 stellte Ursula von der Leyen, die neue Präsidentin der EU-Kommission, nur 11 Tage nach ihrem Amtsantritt ihren vorläufigen Plan für ein gemeinschaftliches Investitionsprogramm mit dem vielversprechenden Namen „Green Deal“ vor. Dessen Ziel ist es, die EU bis zum Jahr 2050 mithilfe gesetzlicher Vorschriften und staatlicher Subventionen „klimaneutral“ zu machen. In der EU soll also bis dahin durch Industrie, Verkehr und Privathaushalte nicht mehr Kohlenstoffdioxid (CO2) freigesetzt werden, als auf natürliche Weise durch die Vegetation aufgenommen oder mit technischen Mitteln aus der Atmosphäre entfernt werden kann.
Zwischenziel soll eine Halbierung der CO2-Emissionen bis 2030 sein. Bislang strebte die EU-Kommission nur eine 40-prozentige CO2-Reduktion bis 2030 an. Um dahin zu gelangen, sollen die EU-Mitgliedsstaaten und die Privatwirtschaft bis 2030 eine Investitionssumme von mindestens einer Billion Euro aufbringen. Zuvor hatte die EU-kommission die Finanzierungslücke für das Erreichen des 40-Prozent-Ziels schon auf jährlich 260 Milliarden Euro geschätzt. Der Finanzbedarf von Frau von der Leyens Plan läge also bis 2030 eher bei drei als bei einer Billion Euro.
Das Startkapital für den „Sustainable Europe Investment-Plan (SEIP)“ von einer Billion Euro soll nach Ansicht der neuen Kommissionspräsidentin mithilfe der Strukturfonds der EU sowie dem Nachfolger des „Juncker-Fonds“ und der Europäischen Investitionsbank (EIB) aufgebracht werden. Mithilfe privater Investoren soll die laut Plan so zusammenkommende Summe von ungefähr 35 Milliarden Euro dann um den Faktor 3, das heißt etwa 100 Milliarden Euro, gehebelt werden.
Ursula von der Leyen verglich diese Anstrengung mit dem Apollo-Projekt, mit dessen Hilfe US-Amerikaner die Mondlandung schafften. Noch gibt es in der EU allerdings Streit darüber, was als „grüne“ Investition gelten kann. EU-Mitgliedsstaaten wie Frankreich, Schweden, Finnland, Polen, Tschechien, Ungarn, die Slowakei, Slowenien, Rumänien und Bulgarien fürchten, dass Investitionen in die CO2-freie Kernenergie nicht mehr als „grün“ anerkannt werden.
Das von Ursula von der Leyen für 2050 ins Auge gefasste Ziel könnte nur erreicht werden, wenn alle Mitgliedsstaaten der EU bis dahin aus der energetischen Nutzung von Kohle aussteigen. Zurzeit hängen vor allem Deutschland, Polen und Tschechien stark von der Kohle ab. Deutschland hat zwar den kompletten Kohle-Ausstieg bis spätestens 2038 beschlossen. Doch da das Land bis 2022 auch alle seine Kernkraftwerke stilllegt, bleibt offen, ob der bereits begonnene Kohle-Ausstieg hier durchgehalten werden kann.
Bei den Regierungen Polens, Tschechiens und Ungarns gibt es darüber hinaus grundsätzliche Zweifel an der Notwendigkeit einer drastischen Verminderung des CO2-Ausstoßes, da dessen Einfluss auf die Entwicklung des Klimas ungeklärt sei. Um politischen und ideologischen Vorbehalten den Boden zu entziehen und um von der Klimapolitik benachteiligte Regionen und Personen zu entschädigen, schlägt Ursula von der Leyen die Einrichtung eines „Klima-Übergangs-Fonds“ vor, der zwischen 2021 und 2027 über 100 Milliarden Euro verfügen soll. Gespeist werden soll dieser Fonds durch die Umschichtung von Finanzmitteln aus bestehenden Haushalts-Posten.
Ursula von der Leyen möchte bis März 2020 den Entwurf eines Gesetzes vorlegen, das die Klimaneutralität der EU bis 2050 verbindlich machen soll. Bis Mitte 2021 sollen überdies sämtliche EU-Vorschriften auf ihre mögliche Klimawirkung geprüft und, wenn nötig, abgeändert werden. Um dieses Vorhaben umzusetzen, dürfte die vorgesehene Zeit bei weitem nicht ausreichen, da die EU-Vorschriften inzwischen Hunderttausende von Druckseiten füllen.