Menschen sind in der Lage unmittelbare Belohnungen abzulehnen, wenn sie wissen, dass sie davon in der Zukunft profitieren könnten. Dieses Verhalten beobachteten Forscher des Max-Planck-Instituts für Ornithologie auch in Papageien. Sie fanden heraus, dass vor allem Afrikanische Graupapageien länger auf eine bessere Belohnung warteten als ihre gefiederten Verwandten der Aras. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachjournal „Animal Cognition„.
Afrikanische Graupapageien zeigen beste Selbstbeherrschung
Schon 1972 konnten Forscher in Kindern beobachten, dass sie auf eine sofortige kleine Belohnung verzichten, wenn sie eine bessere in Aussicht haben. Die Kinder wurden mit einem Marshmallow allein gelassen und darüber informiert, dass sie, falls sie darauf verzichten, nach 15 Minuten ein Zweites erhalten. Der Stanford-Professor Walter Mischel erfand den Test und nannte ihn Stanford Marshmallow Experiment.
Und genau diesem Test unterzogen deutsche Forscher 28 Vögeln in der Max-Planck Research Station in der Loro Parque-Animal Embassy in Spanien. Sie beobachteten, dass afrikanische Graupapageien im Durchschnitt 29,4 Sekunden auf ihr Lieblingsessen warteten, während es bei Großen Soldatenaras nur 20 Sekunden waren und bei Blaukopfaras sogar nur 11,7 Sekunden. Den Rekord knackte der Afrikanische Graupapagei namens Sensei. Er hielt den Test für ganze 50 Sekunden aus.
Warten auf die Walnuss
Für den Test wurden die Vögel vor Sonnenblumenkerne gesetzt, welche nicht zu den Leibspeisen der Papageien zählt. Hinter einer Scheibe rotierte eine Apparatur mit einem Walnusskern – ein Lieblingsessen der gefiederten Probanden – welche nach 5 bis 60 Sekunden durch ein Loch im Glas verfügbar wurde. Sobald die Vögel einen der Kerne aßen, stoppte die Apparatur.
Autor der Studie Matthew Petelle äußerte sich zu den abweichenden Zeiten, die die Vögel erreichen konnten, in einer Pressemitteilung des Instituts: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Selbstkontrollfähigkeiten eng verwandter Ara-Arten zwischen Individuen und Arten stark variieren. Wir stellen die Hypothese auf, dass diese Unterschiede mit Unterschieden in der Gehirngröße oder der allgemeinen Intelligenz zusammenhängen könnten. Sie könnten auch durch das Verhalten bei der Nahrungssuche oder die soziale Organisation der verschiedenen Arten beeinflusst werden, da eine bessere Selbstbeherrschung bei Vögeln, die mehr Zeit in das Auffinden und die Gewinnung von Nahrung investieren müssen oder in einem komplexeren sozialen Umfeld leben, stärker ausgeprägt sein könnte.“
Ablenken als Bewältigungsmechanismus
Während die Vögel auf ihr bevorzugtes Essen warteten, zeigten sie verschiedene Verhaltensmuster. Manche Vögel liefen herum oder machten sich an Gegenständen zu schaffen. Je länger sich ein Vogel mit solchen Verhaltensweisen beschäftigen konnte, desto länger konnten die Vögel den Drang nach Fressen widerstehen. Allerdings funktionierte dies für verschiedene Spezies besser oder schlechter. Obwohl Afrikanische Graupapageien und Blaukopfaras die gleiche Zeit für Ablenkung aufwendeten, konnten die Rekordhalter der Graupapageien deutlich länger durchhalten, bis sie dem Futterdrang nachgaben.
„Wir vermuten, dass die Vögel Verhaltensweisen wie Herumlaufen zeigten, um den Drang, das nicht bevorzugte Futter zu fressen, zu unterdrücken und das Warten auf das bevorzugte Essen besser zu bewältigen“, kommentierte Petelle die Ergebnisse. „Ähnliche Bewältigungs- oder Ablenkungsverhaltensweisen, die bei anderen Tierarten beobachtet wurden, wie z. B. das Hinlegen und Wegschauen bei Hunden oder das Spielen mit Spielzeug bei Schimpansen, wurden früher mit einem größeren Erfolg beim Warten in Verbindung gebracht.“
Allerdings geben die Autoren zu bedenken, dass wenig über die Verhaltensweisen der untersuchten Vogelarten in freier Wildbahn bekannt ist. Die Ergebnisse könnten deswegen nur begrenzte Schlussfolgerungen auf die Selbstbestimmung unter verschiedenen Papageienarten geben. In Zukunft könnten allerdings weitere Forschungen unternommen werden, um einen Zusammenhang zwischen Gehirngröße und Verhaltensmustern herzustellen.