Auf der Mikro-Ebene der Quanten geht es seltsam zu. Es geschehen Dinge, die in unserer mit den fünf Sinnen wahrnehmbaren Raumzeit undenkbar sind. Selbst Albert Einstein hielt bekanntlich die Verschränkung von Elementarteilchen und die Teleportation von Information mit Über-Lichtgeschwindigkeit für einen „Spuk“. Noch heute gibt es Vertreter der newtonsche Physik, die Teile der Quantenphysik am liebsten ins Reich der Esoterik verbannen würden. Währenddessen haben deren praktische Anwendungen längst unseren Alltag erobert. Man denke nur an Laser in DVD-Spielern, Glasfaserkabel als Telefonleitungen, MRT-Aufnahmen in Kliniken. Von daher lag die Idee nahe, Quanteneffekte auch für den Bau von Super-Computern und abhörsicheren Nachrichtennetzen zu nutzen. Die Perspektive des Rechnens mit Über-Lichtgeschwindigkeit übt schon seit den 1980er Jahre eine große Faszination aus. Die Vision: Mit einer im Vergleich zu den derzeit größten Computern um Zehnerpotenzen gesteigerten Rechenleistung wäre es möglich, digitale Verschlüsselungen zu knacken, maßgeschneiderte Medikamente zu entwickeln oder mithilfe Künstlicher Intelligenz das Auftreten von Krankheiten oder von Wetterextremen längerfristig vorherzusagen. Noch allerdings ist es noch längst nicht so weit.
Jüngste Erfolgsmeldungen in der Publikumspresse dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Entwicklung von praktisch einsetzbaren Quantencomputern noch ganz am Anfang steht. Es handelt sich bei dem zwischen den Soft- und Hardware-Giganten Google, IBM, Intel und Microsoft gestarteten Rennen noch immer um Grundlagenforschung, die schätzungsweise noch mindestens ein Jahrzehnt von der wirtschaftlichen Anwendung entfernt ist. Deshalb haben hier neben den genannten Großkonzernen auch Universitäts-Institute die Nase vorn. Der gerade zitierte Bericht des britischen Boulevard-Blattes „Daily Mail“ bezieht sich auf die Arbeit eines Instituts der Universität Bristol unter der Leitung von Jianwei Wang in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität von Dänemark. Erstmals sei es diesen Forschern gelungen, Information zwischen zwei voneinander isolierten Silicium-Chips zu teleportieren. Ähnliches wurde einen Tag zuvor vom Team des Physikers Jason Petta an der renommierten Princeton University an der US-Ostküste berichtet. Diesem Team gelang es, mithilfe eines Photons die Elektronen-Spins von zwei Silizium-Chips zu synchronisieren. Hier waren die Chips allerdings durch einen Lichtleiter miteinander verbunden.
Interessant ist an beiden Experimenten, dass sie mit dem bewährten Allerwelts-Material Silizium arbeiten, um Quanteninformation (Qubits) darzustellen, während Google und IBM dafür Schwachstromkreise in Supra-Leitern verwendeten. Diese Leiter müssen aufwändig bis nahe an den absoluten Nullpunkt (minus 273,15 Grad Celsius) heruntergekühlt werden, was wohl ein Hindernis für den praktischen Einsatz darstellt. Die Firma Intel, die an den Experiment in Princeton nicht beteiligt war, arbeitet hingegen mit Silizium-Chips, die sehr viel preisgünstiger hergestellt werden können.
Im Unterschied zum derzeit von den Computern verwendeten digitalen Bit-Code, bei dem alle Zahlen mit Kombinationen der Werte „0“ (Strom aus) und „1“ (Strom fließt) dargestellt werden, kann ein Qubit beide Werte gleichzeitig oder unendlich viele Zwischenwerte annehmen. Das lässt grundsätzlich sehr viel schnellere Rechenvorgänge zu. Allerdings bleiben Qubits immer nur Bruchteile von Sekunden stabil. Hinzu kommt die für Quantenprozesse charakteristische Unschärfe. Für alle Zustände lassen sich nur Wahrscheinlichkeiten angeben. Das stellt die Programmierung vor besondere Herausforderungen. Fachleute erwarten deshalb, dass man die Vorteile der Quantenphysik zunächst in Form der Kombination klassischer Computer mit eng auf bestimmte Aufgaben spezialisierten Quantencomputern nutzen könnte. Denn bis zur Konstruktion frei programmierbarer Quantencomputer dürften noch Jahre vergehen.