Früher ging man davon aus, dass der gemäßigte Konsum von Alkohol unschädlich ist. Dem Glas Wein am Abend sprach man sogar eine gesundheitsfördernde Wirkung zu. Eine neue Studie zeigt nun, dass schon geringere Mengen Alkohol schädlich sind. Aus diesem Grund raten Experten, die deutschen Richtwerte anzugleichen.
Schon gerine Mengen Alkohol pro Woche sind schädlich
In einer groß angelegten Übersichtsstudie zeigte nun eine internationale Forschergruppe, wie sich bereits kleinere Mengen Alkohol auf die Lebenserwartung und die Gesundheit auswirken. Die Ergebnisse veröffentlichte das Team, in dem auch viele deutsche Wissenschaftler mitarbeiteten, nun im Fachblatt „The Lancet“. Ihren Ergebnissen zufolge verkürzen bereits 100 Gramm reiner Alkohol die Lebenserwartung und erhöhen die Gefahr für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Umgerechnet entsprechen 100 Gramm reiner Alkohol in etwa fünfeinhalb Gläsern Wein oder zweieinhalb Litern Bier.
Umfassende Studie bringt neue Erkenntnisse über Langzeitfolgen
Insgesamt wurden 83 Studien aus 19 wohlhabenden Ländern, an denen fast 600 000 Menschen teilgenommen hatten, ausgewertet. Menschen, die keinen Alkohol trinken waren ausgeschlossen. Mindestens ein Jahr lang wurden die Teilnehmer der Studie beobachtet und die konsumierten Mengen an Alkohol erfasst. Auch Geschlecht und Alter, sowie andere Risikofaktoren wie Diabetes oder Rauchen wurden bei der Analyse berücksichtigt. Die Ergebnisse waren eindeutig. Bereits eine Menge von 100 Gramm Alkohol pro Woche bei Frauen und Männern verringerten die Lebenserwartung. Zusätzlich erhöhte sich die Gefahr für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, allerdings ohne, dass die Forscher einen klaren Schwellenwert ausmachen konnten. Demnach begünstigt ein erhöhter Alkoholkonsum Schlaganfälle, Bluthochdruck, Herzschwäche und tödlichen Aorten-Aneurysmen. Auch wenn eine minimal geringere Gefahr für nicht tödliche Herzinfarkte festgestellt wurde, kann dies den Forschern nach in keinster Weise die negativen Effekte ausgleichen. „Die zentrale Botschaft dieser Forschung für die öffentliche Gesundheit lautet: Wenn Sie Alkohol trinken, kann ein geringerer Konsum Ihnen helfen, länger zu leben und Ihr Risiko für mehrere Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken“, sagt Erstautorin Angela Wood von der der britischen Universität Cambridge.
Forderung nach neuen Richtwerten
„Diese Studie hat durch ihre Stichprobengröße eine hohe Aussagekraft“, sagt Hans-Jürgen Rumpf von der Universität Lübeck, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie. „Der Richtwert von 100 Gramm pro Woche sollte dazu führen, die Grenzwerte für Männer neu zu überdenken und nach unten zu korrigieren.“ Auch Cornelia Lange vom Robert Koch-Institut (RKI) findet, die Ergebnisse der umfassenden Studie sollten „als Anregung dienen, die deutschen Empfehlungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten“. Bisher liegen in vielen Ländern die Richtwerte weitaus höher als 100 Gramm. In Deutschland liegt die aktuell tolerierbare Obergrenze bei 140 Gramm für Männer und 70 Gramm für Frauen. Auch in Kanada, Spanien, Italien und Portugal liegen die wöchentliche Richtwerte über 100 Gramm. In den USA sind es sogar 196 Gramm für Männer. Nach der aktuellen Analyse des Jahrbuchs für Sucht konsumieren deutsche Bürger über 15 Jahre im Schnitt 10,7 Liter reinen Alkohol im Jahr. Das entspricht rund 165 Gramm pro Woche und liegt damit weit über dem jetzt empfohlenen Wert. Forscher Michael Roerecke von der University of Toronto verweist außerdem auf weitere Gefahren von Alkohol: „Jeglicher Alkoholkonsum ist mit einem Risiko verbunden, und weltweit überwiegt der negative Einfluss bei Weitem. Speziell bei Frauen ist mit jedem Konsum ein erhöhtes Risiko fürBrustkrebs verbunden. Das erhöhte Krebsrisiko, nicht nur für Brustkrebs, aber auch für Mund- und Speiseröhrenkrebs, ist vielen nicht bewusst.“