Das Ausbringen von Stickstoff als Dünger ist gängige Praxis in der Landwirtschaft. Hiermit werden unter anderem die Erträge gesteigert. Stickstoffüberschüsse werden allerdings vom Feld ausgewaschen und gelangen als Nitrat in die Wurzelzone. Von dort aus kann es wiederum ins Grundwasser und in die Oberflächengewässer gelangen. Einer neuen Studie zufolge werden in rund 75 Prozent der europäischen Nutzflächen während der Wintermonate Nitrate ausgewaschen. Der Anteil sei damit rund doppelt so hoch wie bislang gedacht.
Im Winter wachsen die Pflanzen nicht, weswegen sie weniger Stickstoff aufnehmen. Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung untersuchten nun, wie viel des Nitrats tatsächlich ins Grundwasser und in Oberflächengewässer gelangt. Hierfür untersuchten sie Prozesse in der Wurzelzone, da dies der dynamischste und aktivste Teil des Untergrunds sei, in dem sich Niederschläge, Trockenphasen und Verdunstungen am stärksten auswirken. Zudem agiere diese Schicht als Filter zwischen der Oberfläche und den tieferen Schichten.
In ihrer Untersuchung entwickelten sie ein Modell, anhand dessen sie die Abflussdynamik der Wurzelzone simulierten. Hierdurch gelang es ihnen zu ermitteln, wie lange das im Wasser gelöste Nitrat in den unterschiedlichen Regionen in der Wurzelzone bleibt, ehe es weiter absickert.
Besonders betroffene Gebiete
Die Forscher förderten zutage, dass die europäischen Nutzflächen noch deutlich anfällig für die Nitratauswaschung sind, als es bisherige Studienergebnisse nahelegten. Insgesamt sei fast 75 Prozent der Nutzfläche für einen Zeitraum von mindestens 4 Monaten im Jahr gefährdet. Betroffen sei unter anderem der Osten- und Nordosten Deutschlands, außerdem Teile der iberischen Halbinsel sowie einige osteuropäische Staaten. Studienautor Andreas Musolff spricht davon, dass die räumliche Ausdehnung des Nitrateintrags bis dato noch unterschätzt werde.
Nach Ansicht der Wissenschaftler sind die Erkenntnisse von hoher praktischer Relevanz. Landwirte könnten die ermittelten präziseren Informationen dafür nutzen, bei der Düngung noch größere Sorgfalt walten zu lassen. Dies gelte für die kalten Wintermonate umso mehr.
Kontroverse Einschätzungen
Bereits seit vielen Jahren wird über das Thema Nitrat im Grundwasser kritisch diskutiert. Dabei geriet die Europäische Kommission mehrmals mit dem deutschen Landwirtschaftsministerium aneinander. Die europäische Institution hält die deutschen Düngeverordnungen für zu lax und kritisiert Deutschland dafür, dass zu viel Nitrat ins Grundwasser komme.
Auch hinsichtlich der Auswirkungen auf den Menschen gibt es geteilte Lager. Prinzipiell ist Nitrat zunächst unbedenklich. Im menschlichen Körper angelangt kann es jedoch mitunter in Nitrit umgewandelt werden. Dies, so die aktuelle Studienlage, könnte insbesondere für Säuglinge negative Folgen haben. Erwachsene hingegen entwickeln im Laufe ihres Lebens üblicherweise ein Enzym, welches die Umwandlung wieder rückgängig machen kann. Das Bundesinstitut für Risikobewertung betont zwar, dass weitere Forschungen in die Wege gebracht werden müssten. Allerdings gebe es Hinweise darauf, dass eine langfristig große Aufnahme von Nitrat gesundheitlich bedenklich sei. Zudem mahnt das Institut neben Verbänden wie Greenpeace, dass Nitrat im Verdacht steht, krebserregend zu sein.