Tiere sind dem Menschen oft ähnlicher als man zunächst denken würde. Insbesondere Schimpansen verblüffen immer wieder mit einer Intelligenz, die der von Kleinkindern in nichts nachsteht. Nun haben deutsche Forscher ein erneutes Beispiel hierfür entdeckt. Die in einem Nationalpark in Gabun lebenden Schimpansen wurden dabei beobachtet, wie sie Insekten fingen, um sie auf Verletzungen aufzutragen – sowohl bei sich selbst als auch bei ihren Artgenossen.
Tierische Ärzte versorgen eigene und fremde Wunden
Die Biologen vom Institut für Kognitionswissenschaft an der Universität Osnabrück und dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig veröffentlichten ihre Beobachtungen in der Fachzeitschrift »Current Biology«. Darin beschreiben sie ihre Erkenntnisse, die sie in 15 Monaten beim Ozouga-Schimpansenprojekt im Nationalpark Loango in Gabun sammeln konnten. Hier leben etwa 45 Schimpansen in einer Art Großfamilie.
Zwischen November 2019 und Februar 2021 zählten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler insgesamt 76 offene Wunden bei den Tieren. 22-mal legten die Schimpansen Hand an und versorgten die Wunde offenbar absichtlich mit den Insekten. Dreimal agierten sie sogar als „tierische Ärzte“ und führten die Behandlung bei den Wunden von Artgenossen durch.
Die Forscher beobachteten, wie die Affen Insekten direkt aus der Luft fingen oder von Pflanzen sammelten, um sie mithilfe der Lippen zu zerdrücken. Die Schimpansen trugen dann ihre „Medizin“ mit dem Mund oder den Händen auf die Wunde auf und massierten sie vorsichtig ein. Dann entfernten sie sie mit den Fingern oder dem Mund, nur um die Prozedur mehrmals zu wiederholen.
Wissen um Wundheilung nicht exklusiv menschlich
„Solche prosozialen Verhaltensweisen für Gruppenmitglieder sind bis jetzt nur sehr selten bei nicht menschlichen Tieren beobachtet worden“, so Verhaltensbiologin Simone Pika von der Universität Osnabrück im Spiegel mit Verweis auf die intensive soziale Bindung der Affen, die für die Behandlung notwendig erscheint.
Es sei bemerkenswert, dass die Schimpansen sich offenbar einen echten Nutzen von der Anwendung der Insekten auf Wunden versprechen. Schon zuvor wurde festgestellt, dass mehrere Tiere unter anderem Pflanzen für medizinische Zwecke verwenden. Schimpansen und Bonobos wurden beispielsweise dabei beobachtet, wie sie bestimmte Blätter verzehrten, um Darminfektionen durch Parasiten vorzubeugen.
Laut Pika sei jedoch das Wissen, dass Insekten, die bestimmte chemische Verbindungen enthalten, zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung eingesetzt werden können, bisher nur dem Menschen zugeordnet gewesen.
Fokus auf Insekten
Noch kann die Wirkung der Insektenmedizin jedoch noch nicht vollends bestätigt werden, was auch daran liege, dass bislang noch nicht final geklärt ist, welche Insekten überhaupt als natürliche Heilmittel verwendet werden.
Die westafrikanischen Insekten mit Flügeln wurden von den Affen in spontanen raschen Bewegungen gefangen. Die Insekten waren typischerweise schwarz gefärbt und etwa fünf Millimeter lang. Offenbar wurden sie gezielt für die Anwendung in Wunden gefangen. Schließlich habe man keinen Schimpansen beobachtet, der die Fluginsekten als Nahrungsmittel gefressen hätte.
Die Forschung geht also weiter. Eines der zukünftigen Ziele der Biologen sei es nun, die in der Studie verwendeten Insekten zu sammeln und zu analysieren.
Bild von Marcel Langthim auf Pixabay