Vor vielen Zehntausend Jahren wanderte der prähistorische Mensch über eine Landbrücke – die Beringbrücke – von Asien erstmals nach Amerika. Das vermuten zumindest Archäologen und andere Wissenschaftler. Doch diese Landbrücke existiert aufgrund des höheren Meeresspiegels und dem Ende der Eiszeit heutzutage nicht mehr. Stattdessen liegt an ihrer Stelle die Beringstraße, die den Arktischen Ozean mit dem Pazifik verbindet. Wissenschaftler der Princeton Universität haben nun herausgefunden, dass die Beringbrücke viele Zehntausend Jahre später entstand als ursprünglich angenommen. Das ändert nicht nur das Verständnis vom Migrationsverhalten des frühen Menschen, sondern ist auch bahnbrechend für die Klimaforschung: Das Volumen von Nord- und Südpol könnte weniger abhängig vom globalen Klima sein, als bisher gedacht.
Beringbrücke entstand rund 30.000 Jahre später als gedacht
Der Höhepunkt der letzten Eiszeit wurde vor 26.000 bis 19.000 Jahren erreicht. Damals stand der Meeresspiegel durch die Vereisung der Pole rund 130 Meter tiefer als heute. Die Beringbrücke, die heute 50 Meter unter der Wasseroberfläche liegt, ragte damals wie ein kleiner Berg aus dem Wasser.
Aufgrund der klimatischen Entwicklungen während der letzten Eiszeit ging die Wissenschaft davon aus, dass die Beringbrücke schon vor rund 70.000 Jahren freigelegt wurde und die prähistorischen Menschen somit genug Zeit hatten, um über die Landmasse nach Amerika zu wandern. Doch eine neue Studie, die im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht wurde, suggeriert, dass die Beringbrücke erst vor 35.700 Jahren entstand.
Daten liefern direkte Information über den Meeresspiegel
Die Forscher der bekannten US-amerikanischen Princeton Universität berechneten die Zeitangabe anhand der chemischen Zusammensetzungen des Arktischen und Pazifischen Ozeans. Die Quantität des Stickstoffisotops 15N ist im Pazifik deutlich höher als in der Arktis. Deshalb entnahmen die Wissenschaftler Sedimentproben, die ein wenig nördlich der Beringbrücke und dementsprechend während der Existenz der Landmasse im Arktischen Ozean lagen.
Mithilfe von Fossilresten stellten sie fest, dass der Gehalt des Stickstoffisotops vor 70.000 Jahren noch hoch lag; erst vor rund 35.000 Jahren verminderte sich die Konzentration. „Das Spannende an diesen Daten ist, dass sie uns eine unabhängige Information über den globalen Meeresspiegel zu diesem Zeitpunkt liefern“, erklärt Co-Autorin Tamara Pico, die an der University of California arbeitet, in einer Pressemitteilung. Dementsprechend entstand vor 35.700 Jahren die Landbrücke und trennte somit den Arktischen vom Pazifischen Ozean.
Auswirkung auf Geschichte der Menschheit und Verständnis von Eisschilden
Dieser Zeitpunkt stimmt mit der Abspaltung der Gene von asiatischen und amerikanischen Ureinwohnern überein, denn laut Studien liegt dieses Event ungefähr 36.000 Jahre zurück. „Bisher nahm man an, dass die Landbrücke schon eine Weile offen war, bevor die Menschen sie überquerten“, sagt Co-Autor Daniel Sigman. Diese Theorie gerate durch die neuen Ergebnisse ins Wanken.
Doch die Resultate haben nicht nur Auswirkungen auf die Geschichte der Menschheit. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass es nach der Verringerung der Temperaturen zu einer erheblichen Verzögerung in der Entwicklung der Eisschilde kam“, erklärt Pico. „Mehr als die Hälfte des Eisvolumens vom Maximum wurde demnach erst nach 46.000 Jahren gebildet.“
Ergebnisse möglicherweise bahnbrechend
Die Erkenntnis könnte die gesamte Theorie der Eisschmelze und -bildung an Polen auf den Kopf stellen. „Diese Daten zeigen an, dass sich Eisschilde nicht nur im Zusammenhang mit globalen klimatischen Bedingungen ändern können“, sagt Erstautor Jesse Farmer. Als ein Faktor, der Einfluss haben könnte, nennen die Wissenschaftler die Intensität der Sonneneinstrahlung auf die Pole.
Mit diesen Resultaten könnten die Forschenden die gesamte Wissenschaft rund um Nord- und Südpol verändern. Ihr nächster Auftrag ist für sie glasklar: Sie wollen nun herausfinden, ob sie ähnliche Ergebnisse für frühere Eiszeiten erhalten.
Bild von Angie Agostino auf Pixabay