Die Anzahl der angemeldeten Patente gilt als Gradmesser für den Innovationsgrad eines Unternehmens oder Staates. Nun zeigt eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung, dass sich die internationalen Kräfteverhältnisse zu Ungunsten Deutschlands verschieben. Vor allem China erobert mehr und mehr Branchen – von einer Werkbank kann längst keine Rede mehr sein.
Insgesamt tritt bei der Erhebung zutage, dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika nach wie vor an der Spitze befinden. Allerdings rückt China immer näher auf, insbesondere die relative Position Deutschlands und Europas wird hierbei geschwächt. Die Studienautoren geben allerdings zu bedenken, dass es wichtig sei, zwischen Masse und Klasse zu unterscheiden. Es genüge demnach nicht, einfach nur die Anzahl der angemeldeten Patente zu vergleichen. Vielmehr fokussieren sich die Wissenschaftler auf besonders bedeutsame Patente rund um wichtige Zukunftstechnologien.
Doch auch hier lasse sich ähnliches feststellen. Auch bei den sogenannten Weltklassepatenten hole der ostasiatische Raum stark auf. Vor 10 Jahren war China nicht in einer einzigen Technologie unter den Top drei vertreten, im vergangenen Jahr rangierte das Land bei 42 der 58 untersuchten Technologien unter den drei Staaten mit den meisten Spitzenpatenten.
Reich der Mitte in einigen Bereichen federführend
Insbesondere bei Umwelttechnologien hat China inzwischen eine Vorreiterrolle inne. Beim Recycling hält das Land rund 25 Prozent der Weltklassepatente, bei der Wasseraufbereitung sind es sogar 36 Prozent. Im Bereich der Blockchain-Technologie halten chinesische Unternehmen 33,5 Prozent aller wichtigen Anmeldungen gewerblicher Schutzrechte.
Einzelne Länder der Europäischen Union können indes nur schwerlich mit den Schwergewichten China sowie USA mithalten. Der Staatenverbund als Ganzes hält allerdings bei den Technologien Windkraft und Funtioncal Food die meisten Weltklassepatente. Innerhalb Europas ist und bleibt Deutschland bei den Patentanmeldungen nach wie vor an erster Stelle. Durch die Corona-Krise könnte sich die Position allerdings verschlechtern, wie Huberth Barth, seines Zeichens Deutschlandchef der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY zum Ausdruck bringt: „Maschinenbau und Autoindustrie etwa treten derzeit bei Investitionen massiv auf die Bremse“.
Auch USA könnten Machtverlust erleiden
Zwar sind die USA – wie dargelegt – durchaus noch tonangebend und können als Innovationsmotor bezeichnet werden. Folgt man den Autoren der Studie der Bertelsmann-Stiftung, dann könnte sich dies jedoch schon rasch ändern. Demnach sei China und Südostasiens durchaus ernst zu nehmen: „In fast allen Bereichen legen China und seine Nachbarn, vor allem Südkorea, eine dynamischere Entwicklung hin als die amerikanische Konkurrenz – und als Europa ohnehin“, wie es in dem Studienfazit heißt. Es müsse daher gelten, die Schwachstellen offensiv anzugehen, da andernfalls ein wirtschaftlicher Bedeutungsverlust drohe.
Indes zeigen andere Daten, dass es insbesondere um die deutsche Entwicklung vielleicht doch nicht so schlecht bestellt zu sein scheint. Gemäß einem Index des Wirtschaftsnachrichtendienstes Bloomberg verdrängte Deutschland unlängst Südkorea von der Spitzenposition. Hinsichtlich der Patente rangiert Deutschland bei diesem Ranking nach China sowie den USA wiederum auf dem dritten Platz. In dieser Erhebung werden die Patentanmeldungen ins Verhältnis zur Größe der Volkswirtschaft gesetzt.
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