Die Erosion von Felsküsten könnte aufgrund des Meeresspiegelanstiegs deutlich schneller stattfinden, als zuvor angenommen. Bis zum Jahr 2100 könnten die Küsten laut einer internationalen Studie bis zu 22 Meter zurückweichen.
Klimawandel beschleunigt Erosion an Küsten
Erosion findet immer und überall statt und ist ein natürlicher Prozess. Gestein oder Boden wird dabei durch verschiedene Umwelteinflüsse wie Wasser, Wind oder Eis zerkleinert und abtransportiert. Die Stärke des Prozesses ist abhängig von der Exposition des Materials gegenüber den Elementen, aber auch von der Härte des Gesteins oder vom Verfestigungsgrad des Bodens.
An Küsten ist die Erosion in der Regel besonders stark. Ebbe, Flut und andere Strömungen zermahlen das Material und tragen es ins Meer hinaus. Der oftmals starke Wind verstärkt den Effekt noch weiter. Dass bestehende Küsten kleiner werden, ist dementsprechend natürlich. Doch wie die neue Studie, die in Nature Communications veröffentlicht wurde, zeigt, wird die Erosion durch den menschengemachten Klimawandel offenbar um ein Vielfaches beschleunigt.
Küsten könnten 22 Meter Land verlieren
Wissenschaftler von britischen, schottischen und australischen Universitäten, allen voran die Geologin Jennifer Shadrick, analysierten für ihre Untersuchung drei steinerne Küstengebiete in Großbritannien. Mithilfe von chemischen Untersuchungen bestimmten sie, wie lang die Gesteine dem Wetter bereits exponiert waren: Auf diese Weise zeigen sogenannte kosmogene Radionuklide – seltene Isotope – das Maß der Erosion.
Diese Daten verbanden die Forscher mit sichtbaren topografischen Veränderungen, die seit längerer Zeit dokumentiert wurden. Daraus entstand ein Modell, mit dessen Hilfe sie zukünftige Erosionsraten berechneten. Das Ergebnis für die Küstengebiete Großbritanniens war erstaunlich. Je nachdem, wie stark sich der Meeresspiegel hebt und der Klimawandel voranschreitet, könnte die Erosion in der nahen Zukunft sieben Mal schneller verlaufen als heute. Das würde im Falle der britischen Gebiete bedeuten, dass die Küste im schlimmsten Fall 22 Meter nach hinten rückt. „Die logische Schlussfolgerung ist, dass steinerne Küstengebiete sensibler auf den Meeresspiegelanstieg reagieren, als zuvor angenommen wurde“, sagt Koautor Martin Hurst von der Universität Glasgow in einer Pressemitteilung.
Erosionsrate könnte sich verzehnfachen
Das bedeute nicht nur den starken Verlust von Gebiet, sondern auch die Gefährdung von vielen Häusern und Infrastrukturen rund um die Welt. Doktor Dylan Rock, ein weiterer Autor der Studie, ergänzt: „Die Erosion von Küstengebieten ist eine der größten finanziellen Risiken von Naturgefahren für unsere Gesellschaft. Einige Felswände bröckeln schon und im nächsten Jahrhundert könnte sich die Erosionsrate verzehnfachen.“
Die Wissenschaftler erkennen für die Gesellschaft zwei bedeutende Schlussfolgerungen: Einerseits sollte der menschengemachte Klimawandel so schnell wie möglich gestoppt werden, andererseits sollte sich jeder Staat auf das Worst-Case-Szenario vorbereiten.
Wie die Forscher einräumen ist ihr Modell zur Berechnung der Erosionsrate nicht unbedingt allgemein gültig. So wurden lediglich drei Standorte betrachtet, die allesamt in Großbritannien liegen und aus dem gleichen Gestein bestehen. Zwar ist ein Großteil der globalen Küstengebiete aus diesem Material aufgebaut und die meisten anderen Gesteine haben einen ähnlichen Härtegrad, jedoch sei das Modell aber nicht für Küsten verwendbar, die nicht aus Fels bestehen – also zum Beispiel Sandstrände – oder dessen Gestein sehr weich ist.
Bild von Frank Winkler auf Pixabay, Artikel von Anna Mikulics