Der Testosteronspiegel hat einen Einfluss darauf, wie großzügig Personen gegenüber Mitmenschen sind. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher der Shenzhen University in China.
Während der Studien-Durchführung ließen sie 67 junge Männer zwischen 18 und 25 Jahren Entscheidungsaufgaben lösen. Hierbei durften die Probanden einen bestimmten Geldbetrag entweder zur Gänze für sich behalten, oder mit einer anderen Person teilen. Während dem Prozess der Entscheidungsfindung beobachteten die Wissenschaftler die Hirnaktivitäten mittels eines funktionellen MRT.
Bei einem Teil der jungen Erwachsenen erhöhten die Forscher zuvor den Testosteronspiegel. Hierbei wurde ihnen testosteronhaltiges Gel auf Arme und Schultern gestrichen, die Vergleichsgruppe wiederum erhielt ein Gel ohne Wirkstoff.
Präzisere Ergebnisse
Das Resultat: jene Probanden mit Testosteron-Zugabe trafen egoistischere Entscheidungen als jene in der Placebo-Gruppe. Insbesondere dann, wenn das Geld mit Personen geteilt werden konnte, zu welchen die Probanden keine engen Beziehungen pflegen. Bei sehr nahestehenden Personen wiederum zeigte sich zwar auch ein Effekt, allerdings ein deutlich geringerer. „Wir haben festgestellt, dass Testosteron zu egoistischeren Entscheidungen führt„, so das Fazit der Wissenschaftler. Bei jenen Probanden ohne Testosteron-Verabreichung konnte im MRT eine deutlichere Aktivierung der temporoparietalen Verbindung im Gehirn festgestellt werden. Diese Region werde aktiviert, wenn wir uns in andere Personen hineinversetzen.
In dem Fazit betonen die Forscher, dass die Ergebnisse nicht auf die Allgemeinheit übertragen werden könnten. Zum einen, weil lediglich junge Männer untersucht wurden, zum anderen, weil die tatsächlichen Testosteronwerte der Teilnehmer nicht gemessen wurden. Obgleich weitere Erhebungen vonnöten sind, bestätigen die Ergebnisse vorherige Annahmen anderer Wissenschaftler.
Kontroverse Einschätzungen
Lange galt Testosteron als ein Hormon, welches soziales Verhalten konterkariert. Die dargestellten Ergebnisse scheinen dies zu untermauern. Allerdings lohnt sich – wie so oft – ein zweiter und dritter Blick. Pauschale Aussagen wie „Testosteron macht aggresiv“ lassen sich beispielsweise beim Menschen nicht bestätigen. Der französische Forscher Jean-Claude Dreher ist der Auffassung, dass Testosteron nicht aggressiv macht, sondern vielmehr strategisches Handeln wahrscheinlicher macht. Demnach führt ein höherer Testosteronspiegel eher zu Verhalten, welches den eigenen sozialen Status stärkt.
Obgleich es rund um das Thema Testosteron widersprüchliche Annahmen zu geben scheint, gibt es auch einen gemeinsamen Nenner: als sicher gilt, dass der Testosteronspiegel bei Männern mit zunehmendem Alter sinkt. Der Abbau erfolgt etwa ab dem 30. Lebensjahr.
Insgesamt gibt es in puncto Testosteron und den Auswirkungen des Hormons noch viele dunkle Flecken auf der Wissenskarte. Auch unlängst forschten zahlreiche Wissenschaftler rund um den Globus hierüber – im Fokus dabei auch mögliche Auswirkungen des Testosteronspiegels auf den Verlauf einer Covid19-Erkrankung. Dem Mediziner Dr. Frank Sommer zufolge könnte die erhöhte Corona-Sterblichkeit bei Männern auch damit zusammenhängen, dass diese deutlich höhere Testosteronwerte als Frauen aufweisen.