Biologen, Biochemiker und Bioinformatiker erforschen die Proteinfaltung bereits seit rund 50 Jahren. Nun soll der KI-Firma DeepMind der Durchbruch gelungen sein. John Moult von der University of Maryland äußerte gar, dass dies die erste Anwendung künstlicher Intelligenz gewesen sei, die ein ernsthaftes Problem gelöst habe.
Bei der Proteinherstellung reihen Zellen Aminosäure an Aminosäure. Hierdurch entsteht eine lange Kette, die sich während des Vorgangs zu einem festen Knäuel faltet. Die Ausgestaltung dessen ist für jedes Protein einzigartig und letztlich dafür verantwortlich, welche Funktion es übernimmt, oder wo es Unheil anrichtet. Wissenschaftler rund um den Globus versuchten bisher vergeblich anhand der Abfolge von Aminosäuren vorherzusagen, wie das Protein am Ende aussehen wird. Dieses Proteinfaltungsproblem will DeepMind nun gelöst haben.
Das Programm von DeepMind namens AlphaFold habe die Struktur der Proteinsequenzen so präzise vorhergesagt, wie es bislang nur durch experimentelle Strukturbestimmung möglich gewesen sei.
Große Fortschritte
„Zu sehen, wie Deepmind eine Lösung für dieses Problem erarbeitet, nachdem wir so lange und nach so vielen Stopps und Starts persönlich an diesem Problem gearbeitet haben, und uns gefragt haben, ob wir jemals dort ankommen würden, ist ein ganz besonderer Moment“, wie John Moult betont. Dieser ist einer der Mitbegründer von CASP, ein seit 1994 zweijährlich stattfindendes Gemeinschaftsexperiment, bei welchem Forschergruppen Methoden zur Vorhersage von Proteinstrukturen testen.
Bei der Einschätzung und Bewertung einzelner Ansätze kommt der sogenannte Global Distance Test zum Einsatz. Dieser misst die Ähnlichkeit zwischen vorhergesagter und tatsächlich ermittelter Proteinstruktur. Der Maximalwert liegt bei 100. Die DeepMind-Lösung erreichte hierbei einen Medianwert über alle Proteine hinweg von 92,4.
Die Ergebnisse überraschen zahlreiche Forscher. Der Chemie-Nobelpreisträger Venkatraman Ramakrishnan äußerte, dass der Durchbruch Jahrzehnte früher erfolgte, als viele angenommen hatten. Seiner Meinung nach werde es spannend zu sehen, auf welche Art und Weise die neue Errungenschaft die biologische Forschung grundlegend verändert.
Auch Andrei Lupas vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie räumte gegenüber dem Fachmagazin „Nature“ ein, dass es sich hierbei um einen Meilenstein handelt: „Das wird die Medizin verändern, das wird die Forschung verändern, das wird Bioengineering verändern, das wird alles ändern“, so seine Ausführungen.
Veröffentlichung der Ergebnisse
Das zum Alphabet-Konzern gehörende Unternehmen DeepMind veröffentlichte die Software noch nicht. Unterschiedliche Forscher drängen indes auf eine zeitnahe Veröffentlichung, um die Funktionsweise des Systems besser verstehen zu können. DeepMind bestätigte bereits, dass eine wissenschaftliche Publikation noch folgt.
Bis dato war DeepMind vor allem für spielerische Experimente und Anwendungen bekannt. So entwickelte das Unternehmen ein System, welches den weltbesten Schachspieler schlug. Nun allerdings stellte es sich auch in wissenschaftlichen Gefilden unter Beweis. Zahlreiche Forscher und Fachmagazine sprechen von einem „gigantischen Sprung nach vorne“.