Forscher der Universität Helsinki haben neue Erkenntnisse über die mögliche Existenz von Quark-Materie-Kernen in massiven Neutronensternen gewonnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Himmelskörper solche Kerne beherbergen, liege zwischen 80 und 90 Prozent. Die Studie wurde im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht.
Supercomputer errechnen Materien
Neutronensternen sind immens dichte Gebilde, was sie für die Wissenschaft zu äußerst interessanten astrophysikalischen Objekten macht. Ein langjähriges offenes Problem der Teilchen- und Kernphysik betrifft die Frage, ob der immense Zentraldruck von Neutronensternen Protonen und Neutronen in eine neue Phase der Materie, bekannt als kalte Quark-Materie, komprimieren kann. In diesem exotischen Zustand können einzelne Protonen und Neutronen nicht länger existieren. „Die Quarks und Gluonen, aus denen sie sich zusammensetzen, sind stattdessen aus ihrem typischen Farbeinschluss befreit und können sich fast frei bewegen“, so Aleksi Vuorinen, Professor für theoretische Teilchenphysik an der Universität Helsinki, in einer Pressemitteilung.
Die Astrophysiker verwendeten für ihre Untersuchungen die sogenannte Bayesianische Inferenz, eine statistische Methode, um die Wahrscheinlichkeiten verschiedener Modellparameter direkt mit Beobachtungsdaten zu vergleichen. Aufgrund der enormen Datenmenge mussten die Wissenschaftler hierbei auf die Rechenkraft von Supercomputern zurückgreifen. „Wir mussten Millionen von CPU-Stunden an Supercomputerzeit aufwenden, um unsere theoretischen Vorhersagen mit den Beobachtungen zu vergleichen und die Wahrscheinlichkeit von Quark-Materie-Kernen einzugrenzen“, so Doktorand Joonas Hirvonen.
Wahrscheinlichkeitsschätzung zur Materie erstmalig möglich
Auf diese Weise konnten die Forscher aus Finnland, Norwegen, Deutschland und den USA erstmals eine quantitative Schätzung für die Wahrscheinlichkeit von Quark-Materie-Kernen in massiven Neutronensternen vorlegen. Diese liege bei deutlichen 80 bis 90 Prozent. Die verbleibende geringe Wahrscheinlichkeit, dass alle Neutronensterne nur aus Kernmaterie bestehen, setze voraus, dass der Übergang von Kern- zu Quark-Materie ein starker Phasenübergang erster Ordnung ist, der in etwa dem Übergang von flüssigem Wasser zu Eis ähnelt. Diese Art der schnellen Veränderung der Eigenschaften von Neutronensternmaterie habe das Potenzial, den Stern so zu destabilisieren, dass selbst die Bildung eines winzigen Kerns aus Quark-Materie dazu führen würde, dass der Stern zu einem Schwarzen Loch kollabiert.
Ein solches Szenario erachten die Forscher allerdings dank der neuesten Berechnungen als vergleichsweise unwahrscheinlich. „Es ist faszinierend zu sehen, wie jede neue Neutronensternbeobachtung es uns ermöglicht, die Eigenschaften der Neutronensternmaterie mit zunehmender Präzision zu bestimmen“, kommentiert Dr. Joonas Nättilä, einer der Hauptautoren der Studie die Ergebnisse.