Deutschen Wissenschaftlern ist es gelungen, die Masse von Neutrinos zu bestimmen. Im Karlsruhe Tritium Neutrino Experiment (KATRIN) konnten die Forscher die Elementarteilchen auf einer riesigen Waage wiegen. Erst seit vier Jahren wird mit dem Spektrometer gearbeitet, jetzt stellen die beteiligten Wissenschaftler fest, dass Neutrinos überraschend leicht sind. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachmagazin Nature Physics.
70 Meter über einen Berg aus Hochspannung
Neutrinos sind ungeladen und die am häufigsten vorkommenden Elementarteilchen. Sie sind derart winzig und unscheinbar, dass sie kaum mit anderer Materie interagieren, weshalb ihr Nachweis bislang eine zu große Herausforderung war. Direkt sind Neutrinos kaum messbar.
Physiker aus sechs Ländern ließen jetzt für ihre Messung Tritium radioaktiv verfallen. Von dieser natürlichen Strahlung ist bekannt, dass das schwere Wasserstoffisotop sowohl ein Elektron als auch ein Neutrino abgibt. In diesem Zusammenhang spricht man auch von einem Elektron-Antineutrino, wobei die entstehende Energie an beide Teilchen abgegeben wird. Um auf die Masse der Neutrinos zu kommen, muss tatsächlich das Elektron vermessen werden. Dessen Energiespektrum wird schließlich vom Neutrino auf eine bestimmte Art und Weise beeinflusst.
In dem Aufbau nutzen die Wissenschaftler also Tritium und schickten die entstehenden Elektronen mithilfe großer Magnetfelder durch ein Spektrometer zu einem Detektor, der die ankommenden Teilchen zählte. 70 Meter legten die Elektronen so zurück und müssen darüber hinaus noch einen Berg aus Hochspannung überwinden. Dies gelang lediglich den besonders energiehaltigen Teilchen. Durch Steuerung der Spannung konnten die Physiker den Hochspannungsberg nach Belieben variieren und so ein Elektronenspektrum aufzeichnen. Durch den Zusammenhang der Neutrino- zu der Elektronen-Energie ließen sich auf diese Art und Weise die Masse der Neutrinos berechnen.
Leichter als angenommen
In einem Zeitraum von rund 30 Tagen konnten die Forscher das Energie-Niveau von 4,3 Millionen Elektronen vermessen. Diese Messreihe bestätigt nun offenbar, dass Neutrinos leichter als 0,8 Elektronenvolt (eV) sind. Schon 2019 wurde eine Obergrenze von 1,1 eV formuliert. Die neuesten Ergebnisse dürfen somit durchaus als kleine Überraschung gewertet werden. So sind die sogenannten Geisterteilchen deutlich leichter als zuvor angenommen. Zum Vergleich: ein Elektron ist rund 600.000-mal schwerer.
„Die Reduktion der Störsignale und die Erhöhung der Signalrate waren entscheidend für das neue Resultat“, kommentierte KATRIN-Sprecher Christian Weinheimer von der Universität Münster die Messungen. „Wir wissen jetzt auch aus einem Laborexperiment, dass der Anteil der Neutrinos nicht mehr zur Massendichte des Universums beiträgt als alle Atome, die Neutrinos also wirklich nur eine untergeordnete Rolle bei der Dunklen Materie spielen.“