Wer kennt sie nicht? Die Legenden und Sagen rund um die Tafel von König Artus und seinem Zauberer Merlin. Nun entdeckten Forscher eine neue Version der Geschichten auf Manuskriptseiten, die aus dem frühen Mittelalter stammten.
Im Einband versteckt
Erstmals war wohl im zehnten Jahrhundert eine Gralsgeschichte rund um einen mystischen heldenhaften Anführer erzählt worden. Drei Jahrhunderte später gelangten diese Erzählungen dann nach Frankreich, wo sie zum sogenannten Lancelot-Gral-Zyklus, auch bekannt als Vulgata-Zyklus, zusammengefasst wurden.
Sieben Fragmente aus Pergament enthalten nun neue Varianten dieser Geschichten. Sie waren bereits 2019 in der Bindung von vier Büchern aus dem 15. Jahrhundert gefunden worden. Die Forscher nehmen an, dass die Legenden nicht bewusst versteckt wurden, sondern schlichtweg wiederverwendet wurden, um als Material für neue Bücher zu dienen.
„Wir konnten das Manuskript mittels Handschriftenanalyse auf die Zeit zwischen 1250 und 1275 datieren und es auf den Norden oder Nordosten Frankreichs lokalisieren“, so Leah Tether von der University of Bristol in einer Pressemitteilung der Universität. Damit gehören die Fundstücke zu den mit am ältesten noch erhaltenen Fassungen des Zyklus. „Der ursprüngliche Text der Suite Vulgate du Merlin wurde etwa um 1220-1225 geschrieben. Damit ist die in Bristol entdeckte Abschrift nur rund eine Generation jünger als die erste Niederschrift des Sagenzyklus“, so die Forscherin, „sie gehört damit zu den frühesten weltweit noch erhaltenen Manuskripten des Vulgata-Zyklus und einem der ältesten in England.“
Unterschiede zu den bekannten Fassungen
Über eine handgeschriebene Notiz am Rand der Pergamente ließ sich ermitteln, dass das Fundstück zwischen 1300 und 1350 seinen Weg nach England fand.
Interessanterweise weist die Geschichte aus Frankreich in Teilen diverse Unterschiede zu den späteren Versionen der Merlin-Sagen auf. Die vier Ritter, die die Streitmacht von König Artus führen sollten, wurden in erheblich größerem Detail beschrieben. Während zudem in späteren Niederschriften der Wunde von König Artus‘ Gegenspieler König Claudas deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet wurde, geht die frühe französische Version nicht einmal näher auf die Verletzung ein. Es ist lediglich von einer Wunde die Rede, im Laufe der Geschichte wurde sie zu einer Schenkelwunde erklärt.
Auch die bekannte Dame vom See, die zu Beginn der Erzählungen noch als Zauberin Viviane bezeichnet wurde und Merlin verführte, wurde in der gefundenen Bristol-Version nicht näher beschrieben. Einige Generationen später erhielt sie deutlich ausführlichere Beschreibungen.
Eine Geschichte aus Ruß
Neben inhaltlichen Analysen interessierte die Forscher auch, welche Materialien zu seiner Zeit zur Erstellung der Abschriften verwendet wurden. Mittels Spektralanalysen konnte festgestellt werden, dass die Tinte vorwiegend aus Ruß bestanden haben muss. Dies ist durchaus ungewöhnlich, da seinerzeit in erster Linie die sogenannte Eisengallustinte, die aus getrockneten Galläpfeln hergestellt wurde, Verwendung fand. „Weil der Test im Infrarotlicht nicht hell, sondern schwarz erscheint, müssen die Schreiber stattdessen eine rußbasierte Tinte genutzt haben“, erklärt Tether. „Der Grund dafür könnte die bessere Verfügbarkeit dieses Materials gewesen sein.“
Diese Form der Analyse offenbarte den Historikern selbst scheinbar Unlesbares. Die Multi-Imaging-Technologie erlaubte ihnen somit auch stark beschädigte Stellen zu lesen.
Bild: Paul Hermans/Wikimedia Commons