Eltern wundern sich manchmal über die Intelligenz des eigenen Kindes: Während sie sich selbst die Tanzschritte noch nicht gemerkt haben, muss das Kind schon lange nicht mehr auf den Fernseher mit dem YouTube Video schauen. Nun ist es wissenschaftlich bewiesen, dass Kinder (teilweise) schneller lernen als Erwachsene. Eine Studie des deutschen Neurowissenschaftlers und Psychologen Sebastian Frank und seinen Kollegen ergab, dass der Neurotransmitter γ-Aminobuttersäure, der auch GABA genannt wird, eine Schlüsselrolle spielt.
Wissenschaftler untersuchen Prozesse vor, während und nach dem Lernen
Wie alle Botenstoffe ist auch GABA dafür zuständig, Informationen von einer Nervenzelle auf die andere zu übertragen. Es ist schon seit einiger Zeit bekannt, dass der Transmitter unter anderem dafür verantwortlich ist, neu Gelerntes zu festigen. Für die Studie untersuchten die Wissenschaftler Kinder in einem Alter zwischen acht und elf Jahren mithilfe der Magnetresonanzspektroskopie (MRS), einem medizinischen Verfahren, durch das chemische Prozesse im menschlichen Körper abgebildet werden können. Die Forscher überprüften die Ausschüttung von GABA, während sich die Kinder mit einer visuellen Lernmethode neues Wissen aneigneten.
Ähnliche Studien wurden schon zu einem früheren Zeitpunkt durchgeführt und konnten die Theorie, dass Kinder effizienter lernen als Erwachsene, nicht untermauern. Dem Team rund um Frank fiel jedoch auf, dass die Konzentration des Botenstoffes in den vorangegangenen Untersuchungen nur zu einem unspezifischen Zeitpunkt gemessen worden war. Deshalb bestimmten sie die produzierte Menge des Neurotransmitters nicht nur während, sondern auch vor und nach dem Lernen. Zum Vergleich unterzogen sie auch Erwachsene in einem Alter von 18 bis 35 den gleichen Untersuchungen.
Kinder festigen das Gelernte schneller
Die Anreicherung von GABA blieb bei den Erwachsenen während des Lernprozesses konstant. Bei den Kindern verhielt es sich anders. Schon während der visuellen Wissensaneignung stieg die Konzentrationskurve des Neurotransmitters stark an. Die erhöhte Konzentration blieb auch noch mehrere Minuten nach dem Lernen bestehen. „Die Resultate zeigen, dass Kinder im Grundschulalter mehr Material lernen können als Erwachsene. Das bedeutet, dass Kinder effizienter lernen“, erklärt der Psychologe und Co-Autor Takao Watanabe, der an der renommierten US-amerikanischen Brown University arbeitet, in einer Pressemitteilung.
Die Forscher maßen die Anreicherung des Botenstoffes im visuellen Kortex. Dabei handelt es sich um den Teil des Gehirns, in dem visuelle Informationen verarbeitet werden. In nachfolgenden Verhaltensstudien wurde diese Theorie noch einmal überprüft. Die Kinder konnten sich an das Gelernte besser erinnern und es schneller wiedergeben als die Erwachsenen. „Unsere Studie deutet darauf hin, dass GABA der Schlüssel zum effizienten Lernen bei Kindern ist“, sagt Frank.
Von Neurowissenschaftlern wird häufig behauptet, dass Kindergehirne den erwachsenen unterlegen sind. Diese Ansicht sollte aufgrund der Studie überdacht werden. Auch wenn viele Prozesse in kindlichen Gehirnen noch nicht ausgereift sind, erfolgt das visuelle Lernen sehr effizient. Das spricht dafür, dass sich verschiedene Aspekte der kognitiven Funktionen unterschiedlich schnell entwickeln. „Kinder sind, zumindest in manchen Gebieten wie dem visuellen Lernen, den Erwachsenen überlegen“, sagt Watanabe. In Zukunft sollen weitere Untersuchungen mit unterschiedlichen Lernmethoden durchgeführt werden.
Bild von Chuck Underwood auf Pixabay, Artikel von Anna Mikulics