Seit der Entdeckung der rätselhaften Steinenkreise von Stonehenge rätseln Wissenschaftler und Forscher über ihre Entstehung und den Nutzen, den sie den Menschen zu ihrer Zeit gebracht haben könnten.
Nach bisherigen Forschungen ging man davon aus, dass es sich bei den Steinansammlungen um einen komplexen Sonnenkalender handelt. Die Menschen, die ihn erbauten, hätten ihn demnach zur Datierung von Tagen, Wochen und Monaten genutzt.
Doch nun erschien eine neue Analyse, die die bisherigen Untersuchungsergebnisse auf den Kopf stellt. Timothy Darvill von der Bournemouth University geht davon aus, dass es sich bei dem Konstrukt nicht um einen Kalender handeln kann. Sein Paper veröffentlichte er im Fachmagazin Antiquity.
Komplexe Berechnungen scheinen nicht zu stimmen
Viele Theorien starten damit, die Steine zu zählen. Darin stehen fünf im äußeren und weitere in einem inneren Kreis. Wiederholt man dieses Durchzählen zwölfmal, erhält man das Ergebnis 360, dass sich auf die Anzahl der Tage in einem beziehen könnte. So funktioniert laut Wissenschaftlern ein Sonnenkalender. Darvill geht jedoch davon aus, dass diese Berechnungen nicht korrekt sind. Er sieht in den ermittelten Zahlen sehr viele Fehler:
„Es wird schon von Beginn an klar, dass diese Interpretation von zwei klassischen Problemen der Numerologie betroffen ist: der Zufälligkeit und dem Selektionseffekt.“
Konkret sieht der Forscher keinen Grund darin, die Zahl zwölf in eine der Berechnungen einzubinden. Denn keine der Steinreihen oder Kreise weist diese Anzahl auf. Angesichts dessen geht er davon aus, dass man mit der Begutachtung von Stonehenge völlig neu beginnen müsse.
Keine Verbindung zum Himmel
Das läge auch daran, dass bisherigen Theorien eine weitere Fehlannahme zugrunde liege. Zahlreiche Forscher und Astronomen gingen neben der Funktion als Kalender schließlich davon aus, dass die Steine mit dem Blick auf den Sternenhimmel erbaut wurden. Der Kreis soll also die Sonnenwenden anzeigen. Doch auch hier geht Darvill von Fehleinschätzungen aus. Er sehe keinerlei astronomische Präzision in dem Bauwerk. Außerdem stellt er sich die Frage, wie die Menschen gearbeitet haben sollen, während sich die Sonne am Himmel bewegte.
„Diese langsame Bewegung der Sonne am Horizont macht es unmöglich, den Kalender zu eichen. Erst recht wäre es unmöglich, Schalttage und -jahre damit zu erkennen […]. Dafür müsste man erkennen können, dass sich die Sonnenwende um einen Tag verschoben hat. Das aber erfordert eine bis auf wenige Bogenminuten präzise Positionsbestimmung – was in Stonehenge eindeutig unmöglich war.“
Die fehlende Sonne im Kalender
Der Forscher geht davon aus, dass die Menschen, die das rätselhafte Bauwerk errichtet haben, noch keine Informationen über einen Kalender besaßen. Vielmehr zeigt sich Darvill überzeugt davon, dass die Ägypter das Wissen über die Jahreszählungen auf die englischen Inseln gebracht haben.
Hier zeigen sich andere Historiker aber skeptisch. So zitiert Spektrum: „Nach Meinung des Autors erhielten die Stonehenge-Erbauer nicht nur Informationen über den ägyptischen 365-Tage-Kalender, sondern erkannten auch, dass der ägyptische Kalender nicht genau mit dem Sonnenzyklus übereinstimmte. Sie entschieden daher, diesen Makel zu beheben – und dies in einer Weise, die erst römischen Astronomen zu Julius Cäsars Zeiten gelang.“
Photo by K. Mitch Hodge