Forscher aus New York haben herausgefunden, warum Nervenzellen auch im Ruhezustand so viel Energie verbrauchen. Im Gegensatz zu Muskel- oder anderen Zelltypen benötigen sie, auch ohne aktiviert zu sein, große Mengen an Nährstoffen und Energie. Wie nun eine neue Studie beschreibt, die kürzlich im Fachjournal „Science Advances“ veröffentlicht wurde, sorgt ein „Leck“ in den Zellen für den erhöhten Bedarf der Zellen.
Selbst im Koma verbraucht das Gehirn extrem viel Energie
Obwohl das Gehirn nur etwa 2 % des Körpergewichts des Menschen ausmacht, verbraucht es ungefähr 20 % der gesamten Energie. So benötigt es ungefähr 10-mal mehr Nährstoffe in Form von Glukose als anderer Zelltypen. Der Großteil der Energie wird dabei von für die elektrische Arbeit in den Neuronen aufgewandt. Schon in vergangenen Untersuchungen wurde festgestellt, dass der Energiebedarf des Hirns nie unter 50 % des Normalverbrauchs sinkt. Sogar in komatösen Patienten fiel die benötigte Menge an Energie nie unter die Hälfte des normalen Verbrauchs. Der Grund hierfür ist bislang unklar.
Wie ein Team von Forschern um Timothy Ryan vom Weill Cornell Medical College in New York nun herausgefunden hat, könnte das Verpacken von Neurotransmittern in winzige Kapseln, für einen Teil des hohen Verbrauchs verantwortlich sein. Diese fungieren im Gehirn als Signalmoleküle und werden in den Synapsen zwischen Nervenzellen ausgeschüttet, um Impulse weiterzuleiten. Das Packen dieser Signalstoffe in kleine Membrankapseln, sogenannte Vesikel, benötigt Energie.
„Leck“ in Bläschen mit Signalstoffen als Grund des Energieverlusts
Genau hier könnte der Grund des hohen Bedarfs liegen. Sogar im inaktivierten Zustand, wenn die Vesikel bepackt sind und die Zelle inaktiv ist, bleibt der Bedarf der winzigen Kapsel bestehen. „Diese Ergebnisse helfen uns besser zu verstehen, warum das menschliche Gehirn so empfindlich auf die Unterbrechung oder Schwächung seiner Treibstoffversorgung reagiert“, erklärt der Hauptautor Dr. Timothy Ryan in einer Pressemitteilung der Universität.
Doch wie wird die Energie verbraucht? Wie das Team herausgefunden hat, geht Energie durch ein „Leck“ in der Membran der Vesikel verloren. So fließen durchgängige Protonen aus den Bläschen heraus, die von einer „Protonen-Pumpe“ unter hohem Energieaufwand wieder zurücktransportiert werden. Wie die Studie beschreibt, scheinen Proteine, die als „Transporter“ bezeichnet werden, für den Protonenverlust verantwortlich zu sein. Normalerweise ändern diese ihre Struktur, um Neurotransmitter in die Vesikel zu transportieren und gleichzeitig Protonen entwischen zu lassen.
Ergebnisse könnten für Behandlung von neurologischen Krankheiten wichtig werden
Nach Spekulationen der Wissenschaftler könnte die Evolution den Schwellenwert für diesen Mechanismus immer weiter herabgesetzt haben, um schnelles Denken und „Nachladen“ der Membrankapseln zu ermöglichen. „Der Nachteil einer schnelleren Ladefähigkeit wäre, dass selbst zufällige Wärmeschwankungen die Formveränderung des Transporters auslösen könnten, was zu einem ständigen Energieverlust führen würde, auch wenn kein Neurotransmitter geladen wird“, kommentiert Dr. Ryan die Entdeckung des Teams.
Auch wenn der Verlust in einer einzigen Zelle verschwindend gering ist, addiert sich mit hunderten von Billionen von synaptischen Vesikeln im ganzen Gehirn eine beachtliche Menge Energie auf. Die Forscher sehen die Entdeckung als großen Fortschritt des grundlegenden Verständnisses der Biologie des Gehirns. In der Medizin steht der kurzzeitige Verlust der Versorgung der Nervenzellen im Zentrum vieler neurologischer Krankheiten. Stoffwechseldefizite wurden unter anderem bei Parkinson oder Alzheimer beobachtet. Der Fund des Teams könnte die Entwicklung von Behandlungen dieser Krankheiten vorantreiben.
„Wenn wir eine Möglichkeit hätten, diesen Energieabfluss sicher zu senken und damit den Hirnstoffwechsel zu verlangsamen, könnte dies klinisch von großer Bedeutung sein“, so Dr. Ryan.