Bevor ein Vulkan feuerrot ausbricht, bewegt sich das Magma in manchen Fällen in Gängen – sogenannten Sills – Richtung Erdoberfläche. Diese Sills können vielfach verzweigt sein, liegen parallel zur Oberfläche und stellen ein regelrechtes Lava-Labyrinth dar. Genauso ist es in Hawaii der Fall. Das Magma bahnt sich den Weg durch das Gestein und löst gleichzeitig kleine Erdbeben aus. Wie das Labyrinth-System genau ausschaut, war bisher der Vorstellungskraft der Menschen überlassen. Doch dank der Geowissenschaftler der US-amerikanischen Caltech Universität ergibt sich mittlerweile ein genaueres Bild: Anhand der Verteilung der Erdbeben konnten sie nun einen detaillierten Plan der Magmagänge im Untergrund zeichnen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie Ende Dezember im Journal „Science“.
Über 190.000 Erdbeben ausgewertet
Hawaii ist eine der weltweit aktivsten Vulkanzonen. Die Inseln existieren, weil sich das Magma an dieser Stelle der tektonischen Platte auf erstaunliche Weise an die Erdoberfläche kämpft – bis heute ist der exakte Prozess noch nicht vollständig geklärt. Dem Team der Caltech Universität, das von John Wilding geführt wurde, ist nun ein weiterer Schritt in Richtung Aufklärung gelungen.
Sie sammelten Daten von über 192.000 Erdbeben in einem Zeitraum von ungefähr 3,5 Jahren, von 2018 bis 2022. „Vulkanische Erdbeben sind typischerweise durch ihre kleinen Magnituden und ihr häufiges Vorkommen während des Magmatransports charakterisiert“, erklärt Co-Autor Weiqiang Zhu. Diese Informationen fütterten sie einem Deep-Learning-System, das mit künstlicher Intelligenz arbeitet.
Über ein Dutzend Sills bilden das System
„Vor dieser Studie wussten wir nur sehr wenig über die Lagerung und den Transport von Magma unterhalb von Hawaii. Nun besitzen wir eine hochauflösende Karte eines wichtigen Bereichs des Systems“, erklärt Wilding. „Schon zuvor wussten wir relativ gut Bescheid, was das Magma im seichten Teil des Systems unter 15 Kilometer macht. Doch bis jetzt war alles, das tiefer lag, reine Spekulation.“
Durch den KI-Algorithmus konnten die Wissenschaftler nicht nur den Verlauf der Sills darstellen, sondern auch andere Informationen gewinnen. So stellten die Forschenden fest, dass es mehr als ein Dutzend dieser Sills gibt, die übereinander positioniert sind. Der längste Kanal misst eine Breite von ungefähr sechs bis sieben Kilometern. Im Allgemeinen sind sie ungefähr 300 Meter dick und haben untereinander einen Abstand von ungefähr 500 Metern.
KI kann Daten besser auswerten
Das Deep-Learning-System ist äußerst leistungsfähig. „Es ist wie ein CT-Scan, mit dessen Hilfe ein Arzt das Innere eines Patienten visualisieren kann“, sagt Co-Autor Ross. „Anstelle einer kontrollierten Quelle wie Röntgenstrahlen verwenden wir mit den Erdbeben eine passive Quelle“. Die Kapazitäten des Algorithmus sind so groß, dass er sogar echte Erdbebendaten verlässlich von „Hintergrundlärm“ unterscheiden kann – das ist Menschen oftmals nicht möglich.
Die Forschenden stellen sich nun die Frage, ob dieses subvulkanische System Hawaii zu eigen ist oder die labyrinthähnlichen Sills auch an anderen Orten der Welt vorkommen. „Hawaii ist die bestüberwachte Insel der Welt. Deshalb müssen wir uns fragen: An wie vielen anderen Orten passiert das noch?“, so Wilding.
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