Das Leben ist ein bemerkenswertes Phänomen. Die Erde ist die einzige bekannte Welt, die dieses Leben über ein komplexes Zusammenspiel von vielen Faktoren ermöglicht. Einer dieser Faktoren ist das mikrobielle Leben, das seit Jahrmilliarden auf der Erde existiert. Eine neue Studie, angeführt von Forschern des University College London (UCL), deutet darauf hin, dass bereits vor rund vier Milliarden Jahren vielfältiges mikrobielles Leben auf der Erde existierte. Dies stellt die herkömmliche Auffassung von dem Zeitpunkt infrage, an dem das Leben begann.
Komplexe Strukturen im Gestein
Die neue Studie, die in Science Advances veröffentlicht wurde, untersuchte einen faustgroßen Stein aus Quebec in Kanada, der nach Schätzungen zwischen 3,75 und 4,28 Milliarden Jahren alt ist. Bisherige Analysen bescheinigten dem Gestein winzige Fasern, Knöpfe und Röhren, die angeblich von Bakterien stammten.
Obwohl das Gestein und seine Strukturen interessante Anzeichen für solch biologische Aktivitäten aufwiesen, bezweifelten einige Wissenschaftler, dass sie biologischen Ursprungs waren. So wurden neue Untersuchungen notwendig. Diese ergaben eine viel größere und komplexere Struktur – einen Stamm mit parallelen Zweigen auf der einen Seite, der fast einen Zentimeter lang ist – sowie hunderte von verzerrten Kugeln oder Ellipsoiden neben Tubuli und Filamenten. Die neu entdeckten Strukturen deuten darauf hin, dass Leben auf der Erde deutlich früher entstanden sein könnte, als bisher angenommen. Sie wurden etwa 300 Millionen Jahre früher datiert als das, was gemeinhin als erstes Anzeichen für erstes Leben gilt.
Photosynthese ohne Sauerstoff
Insbesondere der Stamm, der an einen Baum erinnere, dürfte laut Forschern höchstwahrscheinlich einen biologischen Ursprung aufweisen. Derartige Strukturen wären durch chemische oder anderweitige Prozesse kaum zu erklären und seien auch noch nie beobachtet worden. Trotzdem dürften einige Muster auch durch andere Einflüsse entstanden sein.
In ihrer Studie fanden die Wissenschaftler auch Hinweise darauf, wie die Bakterien ihre Energie auf unterschiedliche Weise erhielten. Sie fanden mineralisierte chemische Nebenprodukte im Gestein, die darauf hindeuten, dass die Mikroben in der Urzeit von Eisen, Schwefel und möglicherweise auch von Kohlendioxid und Licht durch eine Form der Photosynthese lebten, bei der kein Sauerstoff beteiligt war. Diese neuen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass es auf der Urerde bereits 300 Millionen Jahre nach der Entstehung des Planeten eine Vielzahl mikrobieller Lebensformen gegeben haben könnte.
Dr. Dominic Papineau von der UCL erklärt in einer Pressemitteilung der Universität: „Unsere Studie, die sich auf viele verschiedene Beweise stützt, deutet stark darauf hin, dass es auf der Erde zwischen 3,75 und 4,28 Milliarden Jahren eine Reihe verschiedener Arten von Bakterien gab.“
„Das bedeutet, dass das Leben bereits 300 Millionen Jahre nach der Entstehung der Erde begonnen haben könnte. In geologischen Begriffen ist das schnell – etwa eine Umdrehung der Sonne um die Galaxie.“