Paläontologen haben in einer Grabungsstätte in den USA das Fossil einer neuen Dinosaurierspezies gefunden, die sie Daspletosaurus wilsoni nennen. Aufgrund der einzigartigen Physiologie stellt der Dino nicht nur eine Übergangsform von zwei bekannten Arten dar, sondern ist wahrscheinlich auch ein direkter Vorfahre des berühmten Tyrannosaurus Rex. Die Paläontologen Elías Warshaw und Denver Fowler stellten die neue Spezies Ende November im Journal „Paleontology and Evolutionary Science“ vor und erklären in der Abhandlung auch, warum es sich um einen besonderen Fund handelt.
Tyrannosaurus Rex stammt wahrscheinlich von Daspletosauren ab
Wenn man einen Dinosaurierblockbuster anschaut, kann man sich fast sicher sein, dass der blutrünstige Tyrannosaurus Rex die Rolle des Antagonisten übernimmt. Das spricht für die große Popularität, die er sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern innehat. Tatsächlich beschäftigen sich auch Wissenschaftler gern mit dem fleischfressenden Dinosaurier: Er ist einer der meist erforschten Raubtiere des Mesozoikums.
Trotzdem fehlen noch immer einige grundlegende Informationen über den Tyrannosaurus Rex. Hierzu zählt unter anderem sein evolutionärer Werdegang. Heutzutage gehen Forscher davon aus, dass die Spezies von den Daspletosauren abstammt, die auch zur Familie der Tyrannosauridae zählen. Das Fossil, das im Osten von Montana gefunden wurde, gibt weitere Indizien über die Vorfahren des berühmtesten Dinosauriers.
Art stellt Missing Link dar
Die Grabenden mussten als Erstes eine acht Meter dicke Steinwand abtragen, bevor sie an die Fossilien stießen. Unter anderem deshalb gaben die Wissenschaftler dem Fossil den Spitznamen „Sisyphos“, da es nur mithilfe von detailreicher Arbeit an die Oberfläche befördert werden konnte. Am Ende bargen die Forschenden den Schädel, die Wirbelsäule, einen Mittelfußknochen und eine Rippe des Tiers.
Die Physiologie des Dinosauriers war sofort auffällig. „Die neue Spezies zeigt eine Mischung von Merkmalen, die in primitiven Tyrannosauriden von älteren Gesteinen vorkommen, wie prominente Hörner um den Augen, und anderen [physiologischen] Besonderheiten, die man von älteren Vertretern der Familie, wie dem Tyrannosaurus Rex, kennt“, schreibt das Dickinson Museum Center, an dem Fowler arbeitet, in einer Pressemitteilung. Daran sei erkennbar, dass es sich bei der neuen Art um einen sogenannten „Missing Link“ handelt, sprich einer Brücke zwischen einer primitiveren und moderneren Spezies.
Fossil ist 76 Millionen Jahre alt
Tatsächlich konnten die Paläontologen sogar den genauen Platz des Daspletosaurus wilsoni im evolutionären Stammbaum bestimmen. Die neuentdeckte Spezies ist die Übergangsform zwischen zwei Dinosauriern, die zur gleichen Familie gehören und jeweils vor 77 und 75,6 Millionen Jahren gelebt haben. „Sisyphos“ siedelt sich mit einem ungefähren Alter von 76 Millionen Jahren genau zwischen ihnen an. Zuvor war die direkte Beziehung zwischen den beiden Arten, die vorher bekannt waren, unsicher. Doch mit dem neuen Fund scheint ihre Familienzusammengehörigkeit unbestritten. Wissenschaftler gehen mit hoher Sicherheit davon aus, dass der Tyrannosaurus Rex von dieser Evolutionslinie abstammt.
Entwickelten sich Dinosaurier anagenetisch?
Diese Art der Evolution, in der eine Spezies quasi die Mutter oder Großmutter einer anderen Art darstellt, nennt sich Anagenese. „Wir können nun sehen, dass die Arten voneinander zeitlich getrennt lebten. Damit formen sie aufeinanderfolgende leiter-ähnliche Schritte in einer einzigen Abstammungslinie, in der sich eine Urspezies in einen Nachfahren entwickelt“, heißt es in der Pressemitteilung.
Auch andere Dinosaurierfamilien haben sich scheinbar auf diese Weise entwickelt. Bei den meisten Tieren sei eine derartige Entwicklung jedoch nicht die Regel: Viele Arten, die ähnliche Physiologien besitzen, stammen nicht direkt voneinander ab, sondern entwickelten sich gleichzeitig in vielen verschiedenen Linien. Sie sind keine Töchter und Mütter, sondern Cousinen und Cousins. Der Fund des „Sisyphos“ ist ein weiteres Indiz dafür, dass sich viele Dinosaurier scheinbar anagenetisch entwickelt haben. Das trifft wahrscheinlich auch auf den Tyrannosaurus Rex zu.