Im Jahr 1421 wurde der erste Fall von Multipler Sklerose (MS) dokumentiert, in den 1830er Jahren folgten die ersten bildlichen MS- Darstellungen. Trotz der langen Historie sorgt die Autoimmunerkrankung für Rätsel. Doch es gibt auch Lichtblicke, wie neueste Forschungserkenntnisse zeigen.
Das internationale Forschungsnetzwerk International MS Genetics Consortium präsentierte im Fachjournal „Science“ unlängst die Ergebnisse ihrer Erhebung. Insgesamt wurden im menschlichen Genom 233 Variationen als Risikofaktoren für die Entwicklung Multipler Sklerose identifiziert. Univ.-Prof. Dr. Frauke Zipp hält die Erkenntnisse für wegweisend: „Unsere aktuelle Replikationsstudie ist ein Meilenstein in der Forschung über die genetischen Grundlagen der Multiplen Sklerose. Insbesondere das Verständnis der Risikofaktoren könnte zukünftig die Option bieten, das Risiko eines Individuums für die Entwicklung der Multiplen Sklerose zu prognostizieren“. Allerdings, so ihr Fazit, seien weitere internationale Forschungen notwendig.
Die Studie zeigt, dass die Genvariationen eine große Menge an Immunzellen beeinflussen, was zu einer Fehlfunktion des gesamten Immunsystems führen könnte. Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass vor allen Dingen die sogenannten Mikroglia eine wichtige Rolle bei der Entstehung von MS spielen.
Frauen deutlich häufiger von MS betroffen
Weltweit sind zwischen 2 und 2,5 Millionen Menschen von Multipler Sklerose betroffen. Hierbei treten große Geschlechterdifferenzen zutage. Frauen sind von der schubförmig verlaufenden MS etwa dreimal häufiger betroffen, als Männer. Einen möglichen Grund hierfür liefert das Forschungsnetzwerk International MS Genetics Consortium: diese identifizierten eine genetische Variante für Multiple Sklerose auf dem X-Geschlechtschromosom: „Da dieses bei Frauen zweifach vorhanden ist, bei Männern hingegen nur als ein Teil des Chromosomenpaares XY vorliegt, könnte dieses Forschungsergebnis ein Erklärungsansatz sein, warum Frauen ein höheres Risiko haben, Multiple Sklerose zu entwickeln, als Männer“, wie das Forschungsnetzwerk Dr. Nikolaos Patsopoulos in einer Pressemitteilung zitiert.
MS-Studien sorgen für Kontroversen
Wenngleich es Fortschritte bei der Erforschung des Krankheitsbildes gibt, sorgen die Studien durchaus auch für Meinungsverschiedenheiten unter den Experten. Eine Arbeitsgruppe der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Wirtschaftswesen sowie der Charité-Universitätsmedizin fordert, dass die Perspektiven der MS-Patienten künftig stärker berücksichtigt werden sollten.
Ihr Vorwurf: die Symptome fänden in den meisten Studien keine Berücksichtigung. MS-Kranke leiden unter anderem häufiger unter dem Verlust der Sehkraft, kognitiven Einschränkungen, Depressionen, Spastiken und Schmerzen. Zudem erachtet es die Arbeitsgruppe für notwendig, Studienteilnehmer in Zukunft länger zu untersuchen. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass später eintretende Nebenwirkungen unter dem Radar bleiben.
Entwarnung für MS-Patienten hinsichtlich des Coronavirus
Das Coronavirus beherrscht nach wie vor die mediale Berichterstattung. Alleine in Deutschland gibt es inzwischen 1.295 bestätigte Fälle, wie das Robert Koch- Institut berichtet. Die Gesamtzahl der weltweit Infizierten beläuft sich gegenwärtig auf 116.244, Tendenz steigend. Unterschiedliche Forscher setzen sich mit der Frage auseinander, ob die Gefahr durch Covid-19 für Menschen mit Multipler Sklerose erhöht sei.
Prof. Mäurer gibt diesbezüglich zumindest teilweise Entwarnung: Der Chefarzt für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation betont, dass die Multiple Sklerose „per se kein Risikofaktor für einen schweren Verlauf einer Corona- Virus-Infektion“ sei. Demnach bestehe keine höhere Anfälligkeit als bei der deutschen Normalbevölkerung. Allerdings, so sein Fazit, gebe es noch wenige harte Daten und wissenschaftliche Studien zu diesem Thema.
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