Auf dem Baikalsee in Russland geschehen merkwürdige Dinge. Allerlei Steine balancieren auf kleinen Podesten aus Eis. Bislang war nicht bekannt, wie dieses außergewöhnliche Natur-Phänomen entstehen konnte. Nun haben Forscher zum ersten Mal im Labor nachvollziehen können, wie es zu dem Balance-Akt auf dem Baikalsee kommt. Demnach hat der Schatten im kalten Russland einen Effekt auf die sogenannte Sublimation, also auf den Übergang von Eis zum Wasserdampf.
Zen-Steine entstehen nur auf sehr kalten, schneefreien Eisflächen
Die Zen-Steine sehen aus wie von einem Künstler erschaffen. In einigen Fällen bleibt nur ein kleiner Eisstiel übrig, der den Kiesel vom Eisboden des zugefrorenen Sees fernhält. Auf den ersten Blick hat es gar den Anschein, dass die Steine schweben würden. Dass es solche Erscheinungen gibt, war schon länger bekannt. Zen-Steine sind vor allem dort zu beobachten, wo über einen längeren Zeitraum hinweg Temperaturen unter dem Gefrierpunkt herrschen. Hier können die natürlichen Kunstwerke auf einer glatten Eisfläche entstehen, sofern kein Schnee liegt. Der Baikalsee im Winter liefert hierfür beste Voraussetzungen.
Nicolas Taberlet und Nicolas Plihon von der Universität Lyon haben erstmalig nachweisen können, wie die Natur die Zen-Steine erschaffen kann. Der grundsätzliche Prozess ist logisch. Über einen längeren Zeitraum hinweg erodiert das Eis um den Stein herum und wird so nach und nach abgetragen. Nur direkt unter dem Stein bleibt das Eis bestehen. Der Erosionsprozess schreitet so lange voran, bis von dem Boden nur noch ein kleiner Stiel übrig bleibt. Nun mag man annehmen, dass die Sonne dabei hilft, das Eis um den Stein wegzuschmelzen. Dieses Szenario ist aufgrund der geringen Temperatur jedoch unwahrscheinlich. Auch Winderosion, die für ähnliche Gebilde aus Felsbrocken verantwortlich ist, kommt auf dem Baikalsee nicht infrage.
Entstehung im Labor nachvollzogen
Die französischen Forscher liefern nun die Antwort: „Auf anderen Himmelskörpern erzeugt die Eissublimation eine breite Palette an Formen“, zitiert das Wissenschaftsmagazin Scinexx die Franzosen. „Der Stein wirkt wie ein Schirm, der das Eis vor der externen Strahlung schützt.“
Bislang war keine Struktur bekannt, die Zen-Steine entstehen lassen würde. Taberlet und Plihon nutzten eine Vakuumskammer, in der sie kleine Metallscheiben auf einer Eisfläche legten. Die Sublimation wurde durch den geringen Druck im Vakuum sofort initiiert. Die notwendige Energie stammte aus der Wärmestrahlung der Kammer selbst. Es dauerte nur wenige Stunden, bis das Eis schmolz und schließlich eine Zen-Scheibe formte. „Das zeigt, dass unser vereinfachter Laborversuch die Bildung der natürlichen Zen-Steine qualitativ nachvollziehen kann“, so die Wissenschaftler.
Infrarot-Schutz wichtiger als Material
Das Material sei letzten Endes völlig unerheblich. So würde Prozess sowohl mit Steinen als auch mit Metallen oder gar mit Holz funktionieren. Auch die Wärmeleitfähigkeit spielt entsprechend keine Rolle. Es ist lediglich von Bedeutung, dass die Eisfläche unter dem Material abgeschattet wird. So tritt ein Effekt auf, der vor allem das energiereiche Infrarotlicht von der Fläche abhält.
Somit lässt sich auch erklären, warum die Zen-Steine ihren Stiel direkt unter dem Kiesel haben, obwohl die Sonne im Winter – wenn überhaupt – schräg zu der Formation steht. Der schützende Schirm des Steins ist nicht an der Sonne ausgerichtet, sondern an der diffusen Himmelsstrahlung, die senkrecht von oben strahlt.
Wer Bilder eines Zen-Steins ansieht, dem dürfte auch auffallen, dass zu dem Natur-Kunstwerk auch eine kleine Senke gehört. „In allen beobachteten Fällen ist die Senke etwas größer als der Durchmesser des Steins, folgt in ihrer Form aber der des Steines“, so die Forscher. Dies hänge mit einer zusätzlichen Energie zusammen, die in der Umgebung des Zen-Steins vorhanden sein muss: „die zusätzliche Energie, die diese lokale Sublimation verstärkt, lässt sich auf die Schwarzkörperstrahlung vom Stein selbst zurückführen.“
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