Das Schmerzempfinden variiert von Person zu Person – was für den einen unerträglich ist, sorgt bei dem anderen lediglich für ein müdes Lächeln. Nun zeigt allerdings eine unlängst veröffentlichte Studie eines Forscherteams der Keele University, dass es Maßnahmen gibt, die dafür sorgen, dass der subjektiv empfundene Schmerz verringert wird. Demnach könne kräftiges Fluchen die Schmerztoleranz um rund ein Drittel erhöhen.
Die Studienteilnehmer wurden gebeten, in einem Eisbad zu verweilen. Gleichzeitig sollten sie äußern, ab welchem Moment der Schmerz eintritt, und wie intensiv dieser wahrgenommen wird. Die Probanden wurden ferner in zwei Gruppen eingeteilt. Während erstere aufgefordert wurde erfundene Laute und Wörter wie „Twizpipe“ von sich zu geben, sollten die anderen Teilnehmer lautstark Fluchwörter wie „Fuck“ von sich geben.
Die Wissenschaftler ermittelten, dass diejenigen, welche mit geläufigen Schimpfwörtern fluchten, eine erhöhte Schmerztoleranz sowie Schmerzwelle aufweisen. Die Toleranz überstieg die der Vergleichsgruppe um 33 Prozent. Die Schwelle wiederum wurde um 32 Prozent erhöht. Dies bedeutet, dass jene Probanden den Schmerz einerseits erst später wahrnahmen, und andererseits auch weniger intensiv.
Unklare Wirkweise
Die Messungen zeigen zudem auf, dass das Aussprechen von Fluchwörtern den Herzschlag sowie die Hautleitfähigkeit erhöhen. Weshalb der Schmerz gelindert werden kann, können die Forscher indes nicht zweifelsfrei beurteilen. Hinter dem positiven Effekt stecke etwas Tieferes, so Richard Stephens von der britischen Keele University. So könne der Tabubruch kathartisch wirken. Eine vertiefte Untersuchung der psychologisch-neurobiologischen Wurzeln stehe allerdings noch aus.
Schmerz von vielen Faktoren abhängig
Nach dem aktuellen Stand der Schmerzforschung sind zahlreiche Faktoren für das individuelle Empfinden verantwortlich. Hierzu zählen die Gene, Physiologie, die Nervenverknüpfungen, die Neurotransmitter und psychologische sowie soziale Faktoren. Allgemein werden Schmerzen in zwei Gruppen unterteilt: in akute und chronische. Die Wissenschaftler der eingangs zitierten Studie untersuchten mit ihrem Eisbad-Experiment lediglich die Wahrnehmung des akuten Schmerzes. Ob und inwiefern Fluchen auch chronischen Schmerz lindern kann, scheint unterdessen ungewiss.
Ruth Drdla-Schutting von der Medizinischen Universität Wien hält akuten Schmerz für einen anpassungsfähigen Mechanismus, der den Körper vor potenziell schadhaften Reizen schützt. „Chronischer Schmerz zwischen Nervenzellen“ sei hingegen eine eigenständige Erkrankung. Diese, so ihre Ausführungen, weisen auf ein stark gesteigertes Schmerzempfinden hin.
Bereits in der Vergangenheit beschäftigten sich zahlreiche Wissenschaftler mit der Frage, wie die akute Schmerzwahrnehmung verringert werden könne. Einer im „Journal of Neuroscience“ veröffentlichten Erhebung nach könne Meditation dafür sorgen, dass der Schmerz als weniger stark eingeschätzt wird. Ferner betonen die Autoren, dass die Vorgänge im Gehirn nachgewiesen wurden. Die Meditation, so das Fazit, verringere die wahrgenommene Intensität des Schmerzes um bis zu 40 Prozent – ein Wert, der selbst einige Schmerztabletten überträfe.
Andere Studien legen hingegen nahe, dass Schmerz auch mit Ablenkung verringert werden könne. Dadurch würden die Schmerzreize bereits im Rückenmark abgeschwächt, bevor sie das Gehirn erreichen.
Insgesamt zeigt sich, dass die Schmerzforschung Fortschritte verzeichnet, dass aber die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge – so im Beispiel des Fluchens – teilweise noch ungewiss sind.