Forscher der Universität Oxford haben erstmals einen gespendeten Embryo in der Gastrulations-Phase beobachtet und untersucht. Die Untersuchung könnte zeigen, wie viel es noch über die Entwicklung des menschlichen Körpers zu lernen gibt.
Menschliche Zellexplosion erstmals beobachtet
Die embryonale Stammzellenspende und deren Einschränkungen sind immer wieder Thema der öffentlichen Diskussion. In Deutschland ist die Forschung an Embryonen verboten. Zwar wurde letztes Jahr erlaubt, dass mit importierten Zellen geforscht werden darf, doch auch dies gestaltet sich oft schwierig. Englische Wissenschaftler in Oxford konnten jetzt an einem Embryo erstmals die frühe Entwicklungsphase der Gastrulation beobachten.
Die bisherigen Untersuchungen an Embryos beschränkten sich meist auf die erste Woche nach der Befruchtung oder die späteren Phasen der Schwangerschaft, in denen sich die Organe entwickeln. Zwischen diesen liegt die Phase der Gastrulation, welche kurz nach der Einpflanzung des Embryos in die Gebärmutterschleimhaut erfolgt. In diesem Zeitraum, der ungefähr vom 14. bis zum 21. Tag nach der Befruchtung dauert, entwickeln sich die einzelnen Keimschichten des Embryos, aus welchen später die Gewebe, Organe und Systeme entstehen.
Ein führender Wissenschaftler, Professor Shankar Srinivas, erklärte dies in seinen eigenen Worten in einer Veröffentlichung der Universität: „Unser Körper setzt sich aus Hunderten von Zelltypen zusammen. In diesem Stadium wird die Grundlage für die Entstehung der riesigen Vielfalt an Zellen in unserem Körper gelegt – es ist wie eine Explosion der Vielfalt an Zelltypen.“
Anonyme Spende ermöglicht Beobachtungen
Mit der Beobachtung dieser Entwicklungsphase haben die Forscher einen Meilenstein erreicht. Das Embryo wurde von einer anonymen Frau gespendet und wurde auf ein Alter von 16 – 19 Tage nach der Befruchtung geschätzt. Da in Großbritannien Embryos nur bis zum 14. Tag künstlich gezüchtet werden dürfen, war es bisher unmöglich, die Gastrulation zu beobachten, da sich die meisten Frauen in dieser Phase der Schwangerschaft nicht einmal bewusst sind.
Und auch wenn die Forschung an menschlichen Embryos vielleicht unethisch erscheinen mag, ist sie für die Medizin bedeutungsvoll: „Wenn man aus einer Stammzelle z. B. eine Herzzelle machen will, lernt man am besten, wie das in der Natur abläuft und stellt es im Labor nach. Wenn man aber nicht weiß, was in der Natur passiert, muss man im Grunde nur raten. Diese Studie ist wertvoll, weil sie einen einzigartigen Einblick in eine zentrale, aber unzugängliche Phase unserer Entwicklung bietet“, erklärt Professor Srinivas.
Anstoß für Umdenken in Stammzellen- und embryonaler Forschung
Bisher wurde die Gastrulation nur an Mäusen oder anderen Labortieren untersucht und die Ergebnisse auf Menschen angewendet. Jetzt konnten die Wissenschaftler mithilfe von neuen Verfahren, wie der Einzelzellsequenzierung, ein genaues Profil der Zellen erstellen. Dabei konnten sie 11 Zelltypen feststellen, auch wenn diese noch sehr unreif waren. Neben Blutzellen und Keimzellen entdeckten die Forscher auch Ei- und Samenzellen. Überraschenderweise konnte keine Hinweise auf neuronale Entwicklung gefunden werden. Da dies der Grund für die 14-Tage-Regel bei der Züchtung von Embryos ist, raten die Wissenschaftler zu einer Neudiskussion dieser Grenzlinie.
Für das weltweite Vorantreiben der embryonalen Forschung haben die Wissenschaftler die Rohdaten ihrer Studie Forschern in aller Welt zur Verfügung gestellt. „Viele Leute haben bereits unsere molekularen Daten angefordert und sie für ihre eigenen Analysen verwendet. Die Bilder des Embryos sind ebenfalls sehr wertvoll und haben großes Interesse geweckt, da sie zu den deutlichsten Bildern dieses speziellen Entwicklungsstadiums gehören. Um diese wertvollen Informationen noch besser zugänglich zu machen, hat das Team eine interaktive Website für die wissenschaftliche Gemeinschaft und die breite Öffentlichkeit eingerichtet“, so Professor Srinivas.
Bild von marian anbu juwan auf Pixabay