Weltweit führen aktuell nur vier Länder nicht-kommerzielle klinische Studien durch: Großritannien, die USA, die Niederlande und Deutschland. Allerdings schneidet Deutschland nicht besonders gut ab. Die Anzahl der Studien ist hier genauso hoch, wie bei dem viel kleineren Nachbarn, den Niederlanden. Der Wissenschaftsrat fordert schnelles Handeln, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Der Wissenschaftsrat berät den Bund und die Länder in allen wichtigen Fragen zu Wissenschaft und Forschung. In seiner aktuellen Empfehlung fordert er mehr Geld für klinische Studien, um den Rückstand aufzuholen. „Wir sind nicht konkurrenzfähig“, erklärt der Generalsekretär des Wissenschaftsrates, Thomas May. Er bezieht sich dabei auf einschlägige Veröffentlichungen in den führenden Wissenschaftsjournalen. „Das kann dem Anspruch Deutschlands als eine der führenden Wissenschaftsnationen nicht genügen“, heißt es in der Empfehlung weiter. Rund 100 Millionen Euro im Jahr müssten vom Bund zur Verfügung gestellt werden, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei gehe es aber auch „um eine bessere Versorgung der Patienten und bessere Grundlagen für die Arbeit der Ärzte“. Mit dem Geld könnten bis zu zehn aufwändige und mehrjährige Studien finanziert werden. Der Wissenschaftsrat sieht inhaltlich Studien vor, die Grundlagenforschung betreiben und sich gesellschaftsrelevanten Themen widmen. Die pharmazeutische Industrie kann und will in diesem Umfang keine Studien durchführen, heißt es in der Empfehlung.
Krankenkassen sollen auch einen Beitrag leisten
Auch die Krankenkassen sollen eingebunden werden. Der Wissenschaftsrat kritisiert, dass die Ausgaben der Krankenkassen hinsichtlich ihrer Kosteneffizienz optimiert werden müssen. Die Mittel, die den Krankenkassen zur Verfügung stehen müssen besser eingesetzt werden. Angesichts der aktuellen Ausgaben sind Qualität und Effektivität der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland nicht so, wie sie sein könnten, so der Rat. Nicht-kommerzielle Studien könnten dies verbessern. Eine Kostenbeteiligung der Krankenkassen von „beispielsweise deutlich weniger als einem Promille ihrer jährlichen Gesamtausgaben – also weniger als 230 Millionen Euro pro Jahr – „ seit absolut vertretbar, so May. Das Einsparpotenzial sei hoch, aber für eine Beteiligung der Kassen müssen vom Bund und den Ländern die notwendigen Rechtsgrundlagen geschaffen werden.
Wissenschaftsrat will Patienten-Vertreter und Industrie besser einbinden
Die Partizipation von Patienten-Vertretern ist in Deutschland im Vergleich zu den anderen drei Ländern nicht ausreichend verankert. Es sei unabdingbar, dass die Vertreter von Patienten systematisch und institutionalisiert beteiligt werden. Dafür müssen die Vertreter ausreichend geschult werden. Es sei auch Aufgabe der Politik, die Netzwerke für die Schulung zu fördern. Der Wissenschaftsrat wendete sich auch an die Industrie, und empfahl eine bessere Zusammenarbeit von Wissenschaft, Gesundheitswesen, Politik und Industrie. Um das zu ermöglichen, müssen die Universitäten ihre Administration und ihr Vertragswesen stärker professionalisieren. Der Wissenschaftsrat würde es gleichermaßen „begrüßen, wenn die Industrie stärker als bislang nichtkommerzielle klinische Studien (mit-)fördern würde.“ Dies könnte sie etwa durch eine kostenfreie Ausgabe von Prüfpräparate ermöglichen, insbesondere bei besonders teuren Studien.